Geschichte wiederholt sich, heißt es. Ob das wirklich so ist, wird seit Jahrzehnten heiß diskutiert. Im Falle von Opel und Citroën gibt es nun mit dem Ami und dem Opel Rocks-e ein Argument, dass das tatsächlich so ist. Allerdings nur auf den ersten Blick.
Rückblende: 1922 stellt Citroën den 5 CV vor. Das Auto wird für französischen Autobauer ein Erfolg. Gut kopiert, ist besser als schlecht gebaut, dachten sich die Opel-Manager wohl damals und brachten zwei Jahre später den Opel 4/12 heraus. Aufgrund der grünen Farbe bekam das Fahrzeug schnell den Spitznamen „Laubfrosch“ verpasst und verkaufte sich blendend. Selbstredend klagte Citroën gegen das ihrer Ansicht nach freche Plagiat, das Ansinnen wurde aber vom Gericht mit dem Verweis auf den unterschiedlichen Kühlergrill und die andere Farbe abgelehnt.
Zurück in die Gegenwart. Bereits im vergangenen Jahr hat Citroën den Ami präsentiert, einen Elektrowürfel, der den Stadtverkehr revolutionieren sollte. Doch jetzt hat der E-Kastenwagen keinen Doppel-Rhombus auf der Front, sondern den Opel Blitz. Also wieder ein frecher Konzeptklau? Natürlich nicht! Opel und Citroën sind unter einem Konzerndach vereint. Schlimmstenfalls ist dieser Wirrwarr einer wenig organisierten Markenplanung der Stellantis-Strategen zu verdanken.
Frei ab 15 Jahren
Also soll der Opel Rocks-e und nicht der Ami den Innenstadtverkehr revolutionieren und vor allem als Werbetrommel fungieren. „Mit diesem Fahrzeug führen wir junge Menschen an die Marke heranführen“, umreißt Produktmanager Keanu Eftekhari eine Aufgabe des Opels. Die Opelaner sprechen wohlweislich nicht von einem Auto, sondern von einem Fahrzeug. Schließlich kann man den Rocks-e mit der Führerscheinklasse AM bewegen – also ab 15 Jahren. Der Elektrowürfel konkurriert nicht mit einem Kleinwagen, sondern mit anderen Bewegungsmitteln für die Innenstädte, wie etwa einen E-Roller.
„Der Vorteil des Rocks-e ist, dass er wetterfest ist“; strahlt Eftekhari. Allerdings gibt es aus Gewichts- und Reichweitengründen keine Heizung im eigentlichen Sinne. Das Gebläse zum Entfrosten der Windschutzscheibe schafft ein Plus von sechs Grad im Vergleich zur Außentemperatur.
Aquarium mit LED-Scheinwerfern
Mit Rocks-e fällt man auf. Positiv. Fast an jeder Ecke drehen sich die Leute um und fragen, was das für ein Gefährt sei. Das liegt auch daran, dass man in einem Glaskubus sitzt. So angenehm das lichtdurchflutete Aquarium samt Glasdeckel auch ist, wenn die Sonne in einem ungünstigen Winkel einfällt, ist das Display schwer abzulesen. Dafür gibt es ein netzartiges Rollo, das händisch angebracht wird. Im Sommer kann es dann schon mal warm werden. Für die Durchlüftung sorgen Klappfenster, die aber an den Außenspiegel stoßen, wenn der ungünstig eingestellt ist. Überhaupt sind die alle Spiegel ziemlich klein und können nur per Hand justiert werden. Dafür hat der 471 Kilogramm schwere Würfel LED-Scheinwerfer, die die Straße gut ausleuchten und für Aufmerksamkeit sorgen.
Technisch ist der Rocks-e baugleich mit dem Citroën Ami. Lediglich beim Design haben die Rüsselsheimer ihre eigene Note mit ein paar Plastik-Applikationen und Farbtupfern eingebracht. Also hat der auch der Rocks-e eine rein elektrische Nennleistung von 6 kW / 8 PS (maximal 9 kW / 12 PS beim Beschleunigen) und ist bis zu 45 km/h schnell. Der Rocks-e ist mit 2,41 Metern Länge rund 30 Zentimeter kürzer als der aktuelle Smart Fortwo und hat einen Wendekreis von lediglich 7,20 Metern, was beim Stadttanz Gold wert ist. Die Parkplatzsuche verliert ohnehin ihren Schrecken, zur Not stellt man den Rocks-e einfach quer rein.
Komfort eines Autoscooters
Auf den gut besuchten Straßen Frankfurts reicht die Höchstgeschwindigkeit locker aus. Allerdings fehlen dem Rocks-e die schmalen Schultern eines Rollers, also muss man sich im Stau anstellen und kann nicht an der Blechschlange vorbeizirkeln. Auch der Komfort entspricht mehr dem eines Autoscooters als dem eines Autos. Denn das Fahrwerk des Opel-Minis muss ohne Dämmung und Stoßdämpfer auskommen. Der E-Würfel rumpelt über die Straßen und untermalt den Vorwärtsdrang mit einem kernigen Elektromotorgeräusch, das man meint, Sportwagen zu sitzen. Praktisch ist der Rocks-e dennoch: Ältere Menschen können schnell in den Supermarkt und ihre Einkäufe in der Fahrgastzelle verstauen. Für Taschen gibt es sogar einen Haken.
Mit einer gefüllten 5,5 Kilowattstundenbatterie kommt man mit dem Rocks-e bis zu 75 Kilometer (WLTP) weit. Zum Laden der Akkus reicht eine 220-Volt-Haushalts-Steckdose, die die Energiespeicher innerhalb von 3,5 Stunden füllt. Per Adapter kann man den Rocks-e auch an einer Wallbox einstöpseln, was aber auf die Ladegeschwindigkeit keinen Einfluss hat.
Preise beginnen bei 7.990 Euro
Nervig ist dagegen, dass sich das Ladekabel, das hinter der Beifahrertür verstaut wird, sich nicht wie bei einem guten Staubsauger selbst einzieht, sondern händisch in den Stauraum hineingefriemelt werden muss. Im Sommer mit ein bisschen Übung kein großer Akt, im Winter, bei Minusgraden weit weniger inspirierend. Auch die Tatsache, dass man die Batterie nicht ausbauen kann, limitiert den Opel Rocks-e etwas. Nicht jeder hat eine Steckdose vor dem Haus oder in der Garage.
Navigiert wird per Smartphone, das per USB-Anschluss mit Strom versorgt wird. Die beiden besser ausgestatteten Modelle TeKno und Klub kann man auch mit der Rocks-e App verknüpfen. Ab Mitte November steht der Rocks-e beim Opel-Händler, schon jetzt kann er im Opel-Store online konfiguriert werden.
Zum Einstieg ist nur die TeKno-Version für 8.790 Euro erhältlich, im März nächsten Jahres folgen die anderen beiden. Opel bietet aktuell kein Leasing an, sondern eine Finanzierung, die 48 Monate läuft. Zu Beginn zahlt man beispielsweise beim Basismodell (Preis: 7.990 Euro) 2.595 Euro an, danach 49 Euro pro Monat und letztendlich eine Schlussrate von 3.753 Euro.