Bei Renault haben die Designer vor einiger Zeit offenbar einen Ausflug ins Werksarchiv unternommen und dort in alten Bildbänden geblättert und in Erinnerungen an lange zurückliegende Verkaufserfolge geschwelgt. An den legendären Renault 4 und Renault 5, auch auf den Renault 17 sind sie dort gestoßen. Und schließlich auf auf die Estafette – den ersten Kleintransporter, von dem zwischen 1959 und Ende 1980 in drei Generationen insgesamt über eine halbe Million Exemplare gebaut wurden. Als Mannschaftstransporter war der Fronttriebler vor allem bei der Polizei beliebt, als Campingmobil fand der Renault „Hi-Boy“ – ähnlich wie der Bulli von VW – in den in den frühen 1970er Jahren bei Hippies in Kalifornien seine Fans.

Renault Estafette 1.0
1959 präsentierte der französische Autobauer die erste Generation des frontgetriebenen Kastenwagens, der von einem Benziner mit 32 PS Leistung angetrieben wurde. Nicht nur bei der französischen Polizei war er weit verbreitet.
Renault Estafette 1.0
1959 präsentierte der französische Autobauer die erste Generation des frontgetriebenen Kastenwagens, der von einem Benziner mit 32 PS Leistung angetrieben wurde. Nicht nur bei der französischen Polizei war er weit verbreitet.

Und so haben sie denn in Paris entschieden, die Kultmobile von einst im 21. Jahrhundert in zeitgemäßer Interpretation wieder auferstehen zu lassen – mit Elektroantrieb. Der Renault 5 Electric kommt bereits in Kürze als batterieelektrischer Stromer auf den Markt, der Renault 4 Electric wird ihm im kommenden Jahr als kompakter Elektro-SUV folgen. Über das Schicksal des Renault 17 als Elektro-Coupé ist noch nicht entschieden – auf dem Pariser Automobilsalon im Oktober will Konzernchef Luca de Meo erst mal die Reaktion des Publikums testen.

Mit Batterie und Brennstoffzelle

Schon etwas konkreter ist da die Planung für die Wiederbelebung der Estafette: Auf der IAA Transportation präsentierte die Nutzfahrzeugabteilung jetzt als „Konzept“ einen futuristisch anmutenden Transporter für die City-Logistik, der in leicht modifizierter Form 2026 auf den Markt kommen soll. In einer batteriegetriebenen Version, möglicherweise auch mit einem Brennstoffzellenantrieb – auf Details wollte sich Heinz-Jürgen Löw, der bei Renault die leichten Nutzfahrzeuge verantwortet, in einem Pressegespräch noch nicht festlegen lassen.

Schöne neue Transporter-Welt 
Der Sitz lässt sich drehen und die Trennwand zum Laderaum schließt sich automatisch, wenn sich der Fahrer darauf niederlässt: Der Estafette 4.0 glänzt mit einigen pfiffigen Ideen. Die Farbgebung sollte Renault aber noch einmal überdenken.
Schöne neue Transporter-Welt
Der Sitz lässt sich drehen und die Trennwand zum Laderaum schließt sich automatisch, wenn sich der Fahrer darauf niederlässt: Der Estafette 4.0 glänzt mit einigen pfiffigen Ideen. Die Farbgebung sollte Renault aber noch einmal überdenken.

Was hingegen feststeht, ist, dass der neue Estafette – oder Trafic-Nachfolger – die neue Flex EVan-Plattform nutzen wird, die Renault zusammen mit seinen Partnern Volvo Trucks und CMA CGM (einem Logistikkonzern) im Joint Venture Flexis entwickelt hat. Das Fahrzeug kann demzufolge nicht nur mit Batterien und einer Wasserstoff-Brennstoffzelle betrieben werden, sondern ist auch vollvernetzt. Schließlich soll es nicht weniger als die urbane Logistik „revolutionieren“ bzw. die Transporte von Paketen und Gütern in den Städten nachhaltiger und sicherer machen.

Transporter als Kommunikationsmittel

Bei der Gestaltung des Fahrzeugs haben Yannick Bignon und sein Team vom Commercial Vehicle Design auch in vielfältiger Weise an die Bedürfnisse der Fahrer gedacht. Zum Aufstehen muss der im Estafette 4.0 nur seinen Sitz drehen, zudem kann er im Transporter überall aufrecht stehen – bis zu einer Körpergröße von 1,90 Metern. Die riesige Windschutzscheibe und digitale Spiegel zeigen ihm, was rund um das Fahrzeug passiert – angezeigt werden ihm die Spiegelbilder auf zwei Tablets im Innenraum. Und über digitale Anzeigen rund um das Fahrzeug kann die Estofette 4.0 mit anderen Verkehrsteilnehmern kommunizieren. Sie beispielsweise darüber informieren, wann der Fahrer zu seinem Auto zurückkehrt und was er so gerade macht.

Zudem ist die Fahrerkabine durch eine Schiebetür vom Laderaum getrennt, die sich automatisch schließt, wenn der Fahrer sich auf seinem Sitz niederlässt. Natürlich sorgt ein intelligentes System von Regalen und Ablagen dafür, dass die Fracht unterwegs sicher verstaut ist. Und ein Rolltor am Heck für einen leichten Zugriff. Vor allem sorgt eine smarte Software-Architektur, dass der Transporter während seines Lebenszyklus durch Updates und Upgrades immer auf dem neuesten Stand gehalten wird und sich der Fahrer dank des ständigen Kontakts mit der Zentrale wie in einem rollenden Büro fühlen kann.

Nachfrage nach E-Transportern schwächelt

Die Ideen sind gut, der Transporter wird bei seinem Verkaufsstart 2026 sicherlich für Aufsehen sorgen. Trotzdem macht sich Löw doch einige Sorgen um das Transportergeschäft, wie sich beim Pressegespräch zeigte. Denn derzeit sei die Nachfrage nach Fahrzeugen mit alternativen Antrieben im Kreis seiner europäischen Kunden nur sehr verhalten, musste er einräumen: Nur 5,5 Prozent („Das ist bei weitem nicht genug“) entscheiden sich bei Neuwagenbestellungen für einen elektrischen Antrieb. Weil die E-Transporter deutlich teurer sind und der gewerbliche Kunde sehr genau auf die Kosten schaut – und die Politik nicht nur in Deutschland Fördermaßnahmen streicht und gleichzeitig Zweifel streut, wohin die Reise geht.

Klare Botschaften 
Der Transporter der Zukunft wird digital mit seiner Umgebung kommunizieren. Der Chef des Transporter-Geschäfts von Renault tut es noch auf konventionelle Weise - er fordert einen "Realitäts-Check" von der Politik. Fotos: Renault
Klare Botschaften
Der Transporter der Zukunft wird digital mit seiner Umgebung kommunizieren. Der Chef des Transporter-Geschäfts von Renault tut es noch auf konventionelle Weise – er fordert einen „Realitäts-Check“ von der Politik. Fotos: Renault

Da gleichzeitig aber im kommenden Jahr die CO2-Flottengrenzwerte für leichte Nutzfahrzeuge vom Schlag eines Renault Trafic oder Master von durchschnittlich 180 auf 154 Gramm pro Kilometer verschärft werden, drohen den Unternehmen Strafzahlungen in Milliardenhöhe – sollte sich das Kaufverhalten der Handwerker, Transportdienste und anderer Gewerbekunden nicht schleunigst ändern. Löw: „Die Industrie hat geliefert. Sie will Fahrzeuge mit alternativen Antrieben, muss sie anbieten. Aber es gibt leider nur wenige Märkte, wo der Kunde sie wirklich will“. Österreich sei ein solcher Markt, Deutschland hingegen seit dem Wegfall des Umweltbonus und aufgrund der hohen Stromkosten nicht mehr.

„Wir brauchen einen Relaity-Check“

Wann der Trend kippe, die Antriebswende bei den leichten Nutzfahrzeugen Fahrt aufnehme, sei aktuell nicht abzusehen. Löw: „Das ist alarmierend.“ An die Politik appellierte er, einen „Reality-Check“ vorzunehmen und sich mit der Autoindustrie auf eine gemeinsame Agenda festzulegen. So fehle es weiterhin in vielen Städten an Lademöglichkeiten oder an Kapazitäten im Stromnetz, um neue Ladestationen anschließen zu können.

Es bestehe zwar kein Zweifel, dass der Elektroantrieb die Lösung sei und sich langfristig durchsetzen werde. Löw: „Das ist sicher – aber nicht so schnell, wie wir es uns in der Industrie vorgestellt haben.“ Strafzahlungen an die EU wegen verfehlter CO2-Ziele seien keine Option. „Entweder müssen wir dann die Verbrenner verteuern“ (um die Strafzahlungen zu kompensieren) – „oder wir bieten keine Fahrzeuge mehr mit Elektroantrieb mehr an, weil wir damit kein Geld verdienen können.“ 2025 werde es auf jeden Fall eine Menge „interessanter Diskussionen“ geben, prognostizierte der Renault-Manager.

Artikel teilen

Kommentar absenden

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert