Als wir im vergangenen Jahr das erste Mal mit einem knallgelben VW ID.Buzz kreuz und quer durch Kopenhagen und Seeland stromerten, herrschte gefühlt noch Sommer. Am Roskilde Fjord und im Amager Strand trugen die Pänz Badehosen und in den Eisdielen florierte das Geschäft. Nur eine kraftvoll arbeitende Klimaanlage verhinderte, dass wir in unsem elektrischen Lifestyle-Mobil nicht allzu arg ins Schwitzen kamen. Trotzdem fiel der Energieverbrauch damals mit 21,4 kWh noch moderat aus.
Fünf Monate später bewegen sich die Temperaturen um den Gefrierpunkt, fegen Schneeschauer über das Rheinland. Und vor der Tür steht wieder einmal ein ID.Buzz. Wieder in der 150 kW (204 PS) starken Ausführung Pro mit einem 77 kWh-Akku zwischen den Achsen, wieder in einer Zweifarb-Lackierung. Nur dass diesmal Grün ausfällt, „Bay Leaf Green Metallic“, um genau zu sein. Vom „Candy-weißen“ getönten Dach ist am Morgen aber nicht mehr viel zu sehen: Über Nacht hat sich doch tatsächlich eine vier Zentimeter dicke Schneedecke über das Fahrzeug gelegt.
Und während sich die Kids aus der Nachbarschaft für die erste Schlittentour des Winters rüsten, räumen wir erst einmal Schnee. Vom Auto und vom Gehweg – die Straße zum Haus lassen wir ganz bewusst weiß. Weil wir den Jungs den Spaß an der Rutschpartie nicht vermiesen wollen. Und weil wir wissen wollen, wie sich der 2,5 Tonnen schwere Hecktriebler schlägt, auf schneebedeckter Straße und einer Piste, die von unserem Haus bis zur nächsten Kreuzung immerhin eine Steigung von bis zu 14 Grad aufweist. Autos mit Heckantrieb, so erinnere ich mich an alte Käfer-Zeiten, kamen da auch auf Winterreifen schnell an ihre Grenzen.
Am Hang besser mit Frontantrieb
Auch der ID.Buzz steht auf Winterreifen, ganz neuen sogar. Und durch die Batterie sollten Vorder- und Hinterachse eigentlich gleichmäßig belastet sein. Trotzdem: Die Fahrt die kleine Steigung endet schon nach wenigen Metern mit durchdrehenden Reifen. Ich hätte, so hörte ich später von Experten, das Fahrpedal zu heftig getreten. Mit sensibleren rechten Fuß, dem Ausschalten der Auto-Hold-Funktion der Feststellbremse sowie der Nutzung der Kriechwirkung in Fahrstufe D wäre ich problemlos hochgekommen. Helfen würde es vielleicht auch, wenn sich das ESP-System abschalten ließe, um den Kraftfluss allein mit dem Fahrpedal sensibel steuern zu können. Doch dergleichen haben die Ingenieure bei VW aus Sicherheitsgründen nicht vorgesehen.
Wir sind trotzdem die verschneite Piste hochgekommen. Wie? Indem wir den ID.Buzz im Hof wendeten und so zum Fronttriebler machten. Und siehe da: Im Rückwärtsgang nahm er die Steigung spielend. Keine zehn Sekunden später stehen wir auf der naütrlich längst geräumten Dorfstraße. Man muss sich nur zu helfen wissen. Alpenländler, die sich mit dem Gedanken tragen, den Elektro-Bus in die Garage zu stellen, sollten aber wohl besser warten, bis das Modell in der GTX-Version mit Allradantrieb verfügbar ist. Irgendwann im Laufe des Jahres, so hören wir, soll das Modell bestellbar sein.
Warm ohne Wärmepumpe
Doch ansonsten schlug sich der grün-weiße Stromer recht gut während seines zweiwöchtigen Test-Aufenthalts im winterlichen Rheinland und auf den Fahrten in die schneebedeckte Eifel. Obwohl Volkswagen den ID.Buzz (wie auch die übrigen Modelle der ID-Baureihe) aufgrund des weiterhin grassierenden Mangels an Halbleitern derzeit nicht mit einer Wärmepumpe ausstatten kann, war es im schätzungsweise 16 Kubikmeter großen Innenraum schon bald mollig warm. Zumindest auf den vorderen, auch beheizbaren Sitzen. Der Fahrer kann sich seine Finger zudem an einem heizbaren Lenkrad wärmen. Weiter hinten in der zweiten Sitzreihe hingegen dauerte es schon etwas länger, bis sich Wohlfühlatmosphäre einstellte. Auch weil es derzeit keine dritte Klimazone mit separaten Lüftungsdüsen und separater Temperatureinstellung, aber auch keine Sitzheizung gibt. Und von beheizbaren Scheibenwaschdüsen profitiert man da auch nicht viel.
Die Klagen darüber wurden trotzdem nicht allzu laut: Mit seinem besonderen und durch das (aufpreispflichtige) Designpaket nochmals gesteigerten Charme schlägt das „German Car of the Year“ immer noch alle Mitfahrer in seinen Bann. Und nicht nur die: Kaum eine Pause, ohne dass sich Menschen die Nase an den Scheiben platt drückten, Fotos mit dem Smartphone schossen oder um ein Probesitzen baten.
Kleinere Schwächen sieht man dem ID.Buzz da gerne nach. Wie etwa den harten Mittelsitz und die etwas labberigen und hakeligen Klapptische an der Rückenlehne der Vordersitze. Zwar kann man die Rücksitzbank um ein paar Zentimeter verschieben (wenn man erst einmal den Hebel gefunden hat), auch teilweise und komplett wegklappen. Aber eine komplette Entnahme wie im Bulli ist hier wohl nicht vorgesehen. Vielleicht ändert sich ja noch bis zur Markteinführung des geplanten Siebensitzers, der deutlich mehr Radstand und noch mehr Platz im Innenraum bieten soll. Im nächsten Jahr, so hören wir, soll die Variante in mehreren Sitzkonstellationen kommen. Und dann soll endlich auch ein großes Panoramadach verfügbar sein. Das bringt sicher noch einmal mehr Licht in den trotz allerlei Hartplastik hübsch gestalteten Innenraum.
Extreme Wendigkeit in der City
Für große Begeisterung sorgte hingegen immer wieder der – dank Heckantrieb – extrem kleine Wendekreis von nicht einmal zwölf Metern, der den Elektro-Bus trotz seiner Länge von 4,71 Metern auch im Stadtverkehr erfreulich handlich macht. Zumal die beiden (in unserem Fall elektrischen) Schiebetüren das Be- und Entladen des Passagierraums nicht nur beschleunigen, sondern auch sehr platzsparend gestalten.
Das Rückwärts-Einparken des Autos vor einer Wallbox in der Tiefgarage hingegen brauchte etwas Gewöhnungszeit. Dank der Rückfahrkamera und deren 360-Grad-Darstellung auf dem zentralen Info-Display gab es zwar keine toten Winkel. Aber wegen der großen – natürlich ebenfalls elektrisch betriebenen Heckklappe – gilt es ordentlich Abstand zur Wand zu lassen. Andernfalls kann das Ladekabel nicht aus dem Einkaufskorbe herausgefischt werden, der unter dem Zwischenboden im Gepäckabteil auf seinen Einsatz wartet.
Kein Platz für HUD
Wünschen würden wir uns einen kleinen „Frunk“ vorne (zur Unterbringung des Kabels) und die Positionierung der Ladebuchse vorne statt hinten rechts. Aber das gibt der Modulare Elektro-Baukasten (MEB) derzeit nicht her. Und bis auf weiteres müssen die Käufer des ID.Buzz auf das aus den Schwestermodellen ID.3 und ID.4 bekannte Head-up-Display verzichten – es soll später nachgereicht werden. Wandernde Lichtstreifen müssen als optische Unterstützung der Navigationsanzeigen erst einmal reichen.
Und wo wir gerade beim Navi sind: Warum dieses Monate nach der Fertigstellung der Anlage immer noch nicht den großen Ladepark der EnBW in Kamen kannte, blieb uns auf einer Fahrt gen Norden ein Rätsel, das Volkswagen alsbald auflösen sollte.
Denn gerade im Winter machen solche Informationen den Unterschied zwischen einem guten und weniger guten Elektroauto aus. Der ID.Buzz mag Plug & Charge beherrschen – aber um diese Technik nutzen zu können, sollte man alle verfügbaren Ladepunkte im Umkreis des Standorts kennen. Zumal, wie wir schnell feststellten, die niedrigen Temperaturen und der erhöhte Heizbedarf (des Fahrzeugs, nicht des Fahrers) dazu führen, dass der Energieverbrauch unterwegs kräftig steigt.
Reichweite schrumpft auf 290 Kilometer
Genügten uns im Spätsommer im Schnitt noch 21,4 Kilowattstunden für 100 Kilometer Strecke, brauchte es nun für die gleiche Streckenlänge durchschnittlich 24,7 kWh. Mit dem Ergebnis, dass die Reichweite von 350 auf etwa 290 Kilometer zusammenschnurrte. Das hohe Gewicht und die Aerodynamik einer Küchenanrichte lassen schon keine Verbrauchswunder zu. Die Kälte und der erhöhte Energiebedarf der Nebenverbraucher tun ein übriges. Die Beschränkung der Höchstgeschwindigkeit auf 145 km/h macht vor dem Hintergrund mehr Sinn als man es im Sommer wahrhaben wollte.
Auch die Ladeleistungen zeigten sich der Witterung angepasst. Theoretisch kann der ID.Buzz Gleichstrom bis zu 170 Kilowatt (kW) aufnehmen. Aber bei den (witterungsbedingt zahlreichen) Stopps an Schnellladern kamen wir nicht über 149 kW hinaus. Was zum großen Teil aber vermutlich auch an den Ladesäulen lag. Immerhin wurde die Top-Ladeleistung bis zum einem SoC (Ladestand) von über 30 Prozent gehalten – erst jenseits von 40 Prozent verlor der Energiefluss deutlich an Fahrt. Eine durchschnittliche Ladeleistung von 85 kW auf dem Weg von 10 bis 80 Prozent – damit lässt sich aber gut leben.
Listenpreis von über 80.000 Euro
Insgesamt ist der ID.Buzz ein angenehmer Reisegefährte. Nichts für Raser, aber für Zeitgenossen, die das entspannte Fahren mit einem Elektromobil zu schätzen wissen. Und die nicht knausern müssen: In der Basisversion kostet der Volkswagen bereits 64.581 Euro, unser topausgestatteter Testwagen stand mit einem Gesamtpreis von 80.812 Euro und 90 Cent in der Preisliste. Allein die Zweifarb-Lackierung schlägt mit 2.642 Euro zu Buche, das Ladekabel lässt sich VW mit 77,35 Euro extra bezahlen. Alles inklusive Mehrwertsteuer und vor dem Umweltbonus in Höhe von 4.500 Euro.
Das muss man sich leisten können. Aber wer über ein solch großes Budget verfügt, wird viel Freude an dem Auto haben. Weil der Buzz nicht nur praktisch und alltagstauglich ist, sondern auch an kalten Tagen das Herz zu erwärmen versteht. Und wie oft liegt in unseren Breiten schon noch Schnee?
In der Praxis sieht das bei einem Verbrauch von 21.4 kwh wie folgt aus:
Batteriekapazität 77kw Netto / 21,4 x 0,8 (80% Range großzügig angesetzt) x100 macht knapp 290 km .Reichweite im Sommer und im Winter 250 km. Standladeverluste nicht eingerechnet.
PS: Mit der Ladebuchse vorne kann ich nicht in meiner Garage laden. Hirnen links oder rechts ist das einzig sinnvolle.
Also die Physik der Antriebe gibt dir leider nicht recht: Hecktriebler sind bergauf durch die physikalisch einwandfreie Mehr-Belastung der Antriebsräder eigentlich im Vorteil, was das Steigvermögen angeht. Ich kann mir nur vorstellen, dass VW die ASR-Funktion so niedrig eingeregelt hat, dass der Effekt ins Gegenteil verkehrt wird. Wenns dann rückwärts nicht ganz so streng geregelt ist wie vorwärts, stellt sich genau der von dir beschriebene Effekt ein.
Am besten wäre es, Schlup- und Schleuderkontrolle komplett abzustellen und dann mit großem Herzen und kundigen Lenkradkorrekturen bergauf zu driften. Walter Röhrl grüsst hier leise zwischen den Zeilen.
Nachdem ich vor Jahren bei exakt so einer Fahrt steilbergauf an einer geschlossenen Winterschranke einer sehr schmalen Albsteige gestrandet bin, kenne ich auch die kleinlauten Versuche, das Auto heil wieder rückwärts auf geschlossener Schneedecke ins Tal zu bringen. Es gelang mit dem damals getesteten Werks-Porsche ganz leidlich, bis ein zum Wenden halbwegs taugliche Stelle erlaubte, das Auto wieder so zu bedienen, wie es Fahrtrichtung und Blickrichtung des Fahrers vorsehen.
Dass ich auf der anschliessenden Fahrt auf einer Parallelstrecke einen gestrandeten Schullehrer mit seinem Passat mit dem Porsche Cabrio bergauf schleppen und dadurch seinen Unterricht retten konnte, steht auf einem anderen Blatt. Ich habe ihn kürzlich tief im Rentenalter wieder getroffen und wurde spontan darauf hingewiesen, dass er niemals in seinem Leben einen Menschen für so intensiv bekloppt gehalten hat, wie mich damals, solange er mit dem Passat im Schlepptau des Porsche unterwegs war. Es mag auch daran gelegen haben, dass ich mit offenem Dach unterwegs war, bei immer noch leichtem Schneetreiben…
„…bei keinem der … Stopps an Schnellladern kamen wir nicht über 149 kW hinaus“
Vorsicht mit doppelten Verneinungen! Da kommt rasch genau der verkehrte Sinn heraus…
Konkret lautet die Aussage, dass bei jeder Ladung die 149 kW überschritten wurden!
Danke für den Hinweis. Wurde korrigiert.