Der VW ID.3 ist noch keine zwei Jahre auf dem Markt und wird in Kürze schon kräftig überarbeitet. Im Rahmen eines großen Facelifts wird im Herbst zunächst der Innenraum des Elektroautos im wahrsten Sinne des Wortes aufgemöbelt. Edlere Bezugsstoffe und höherwertigere Kunststoffe sollen dafür sorgen, dass der „Volks“-Stromer sich von der Materialanmutung im Innenraum her deutlicher von einem Dacia aus dem Renault-Konzern unterscheidet. Und im Frühjahr 2023, so hören wir aus dem VW-Werk Zwickau, wird auch die Karosserie ein kräftiges Facelift bekommen – obwohl das Auto eigentlich kaum Zeit hatte, Falten anzusetzen.
Aber im gleichen Werk und auf dem gleichen Band wie der VW ID.3 wird seit Ende September vergangenen Jahres neben allerlei anderen Fahrzeugen auch der Cupra Born produziert. Auf der gleichen Plattform, mit der gleichen Technik und Karosserieform – aber mit einem doch wesentlich schickeren Gewand und Innenfutter. Ein echter Hingucker, der ausstattungsbereinigt fast genauso viel kostet wie ein ID.3 und obendrein schon jetzt mit einem Panoramadach lieferbar ist.
„Schon beim Einsteigen in den Cupra Born werden alle Sinne aktiviert“, schwärmte seinerzeit Francesca Sangalli, Leiterin der Abteilung Color & Trim Concept & Strategy bei Cupra, schon bei der Weltpremiere des Born. Seitdem sind einige Monate ins Land gezogen, hat man den Born hier und da auch schon im Straßenverkehr oder beim Autohändler gesichtet.
Ausstattung lässt kaum Wünsche offen
Aber die Sinne reagieren immer noch prompt. Erst recht, als unser Testwagen vorfährt. In „Aurora Blue“, mit 18 Zoll großen Leichtmetallrädern im Cyclone“-Design und allerlei kupferfarbenen Schmuckelementen – Cupra verpflichtet. Die Lektüre der Ausstattungsliste dauert einige Minuten, denn der Hispano-Sachse ist schon in der 37.220 Euro (vor Umweltbonus und Innovationsprämie) teuren aktuellen Basisversion sehr gut ausgestattet. Elf Extras vom doppelten Gepäckraumboden über die Privacy-Verglasung und Sport-Schalensitze bis zum „Skyline“-Glasdach und der Wärmepumpe treiben den Testwagenpreis zwar auf 47.667 Euro, lassen dann aber auch wirklich kaum mehr Wünsche offen.
Allenfalls nach einem größeren Akku. An Bord des 150 kW (204 PS) starken Born ist nämlich, wie sich irgendwann bei der Lektüre der Begleitpapiere herausstellt, nur der kleine Akku mit einer Speicherkapazität von Brutto 62 kWh. Für den Fahrbetrieb nutzbar sind davon nur 57 kWh. Die noch stärkeren E-Boost-Versionen mit dem 77 kWh großen Akku-Paket sollen erst ab März verfügbar sein.
So müssen wir uns also mit einer Reichweite begnügen, die nach offiziellen Angaben und nach der WLTP-Verbrauchsnorm 424 Kilometer betragen soll. Vorausgesetzt, der Wagen wird im Mittelmeerraum bei frühsommerlichen Temperaturen mit sanftem Druck auf das Fahrpedal bewegt. Während des Tests kamen wir trotz Wärmepumpe und selbst bei stromsparender Fahrweise im Eco-Modus nicht über 330 Kilometer hinaus. Im Komfort-Modus und bei Tempo 130 auf der Autobahn waren es bei einem Durchschnittsverbrauch um die 23,5 kWh/100 km sogar nur 240 Kilometer. Es ist halt Winter in Deutschland. Und Temperaturen um den Gefrierpunkt mag auch dieses Elektroauto nicht, wie sich schnell herausstellt.
Ladeleistung wird in km/h gemessen
Gleiches gilt für die Ladeleistung. Bis zu 120 kW am DC-Schnelllader werden versprochen – tatsächlich lagen bei den Zwischenstopps auf der Langstrecke selbst bei einem Ladestand (SoC) von 20 Prozent und einem ordentlich vorgewärmten Akku nur Werte zwischen 50 und 80 kW an. Mit einem Wort: Die Ladepausen zogen sich. Der Bordcomputer animierte dabei zu Rechenspielen. Denn die Ladeleistung gibt das – vom ID.3 entlehnte Infotainmentsystem – in Kilometer pro Stunde an. Auf die Idee muss man erst einmal kommen. Und 141 km/h klingen erst einmal nach viel und schnell. Die Angabe relativiert sich allerdings, wenn nach 45 Minuten Ladezeit der Akku erst zu 60 Prozent gefüllt ist.
Aber das können wir jetzt mal VW in die Schuhe schieben – an der Definition des Lademanagements waren die Ingenieure der Seat-Schwestermarke aus Barcelona sicher allenfalls peripher beteiligt. Und jetzt haben wir auch genug gemeckert. Denn unser blauer Kupferstecher hat trotz dieser Schwächen doch einige Stärken vorzuweisen. Da ist zum einen die hohe Agilität und Wendigkeit des Heckantriebs. Wenn nicht gerade Tempo 30 vorgeschrieben ist, macht es einen großen Spaß, mit dem Cupra durch die Stadt zu wuseln. Auf zweispurigen Straßen wird jede rote Lichtsignal freudig begrüßt – in Vorfreude auf den nächsten Ampelstart. Und trotz miserabler Sicht nach hinten findet der Born dank Rückfahrkamera und „Intelligent Park Assist“ leicht in fast jede Parklücke hinein.
Jede Menge Platz – für vier Personen
Innen ist das Platzangebot gut, zumindest für vier Personen. Den Mittelplatz hinten kann man allerdings nur Kindern in einem eigenen Sitz zumuten. Denn die Fläche ist schlecht gepolstert und Großgewachsene stoßen dort leicht mit dem Kopf an die Decke und die Sensoren für die Innenraumbeleuchtung. Und Lichterspiele gibt es ohnehin schon genug an Bord, die sich zudem an die persönliche Stimmungslage anpassen lässt – wer auch immer so etwas braucht.
Um die gelbe, grüne, blaue oder rote Hintergrundbeleuchtung zu dimmen oder komplett abzuschalten, sollte vorsichtshalber die nächste Ladepause abwarten. Denn die Suche in den Untermenüs des Infotainment-Systems nach den entsprechenden Drucktasten kann sich ziehen. Denn bis auf den Warnblinkschalter haben die Tesla-Fans bei VW sämtliche Funktionstasten weggespart.
Selbst die Tasten zur Betätigung der elektrischen Fensterheber hinten: Wer im Fond lüften möchte, muss wie in allen Modellen auf dem MEB-Baukasten von VW zunächst eine Umschalttaste betätigen. Für die schnelle Lautstärkeregelung gibt es immerhin noch Tasten am Multifunktionslenkrad, für die Regelung der Innentemperatur wie im ID.3 hingegen nur einen „Slider“ in der Konsole unter dem 12 Zoll großen Touchscreen, der obendrein unbeleuchtet ist. „Murks“ nannte das ein Kollege einer Fachzeitschrift. Dem ist nichts hinzuzufügen.
Sportlich auch im Comfort-Modus
Aber wir wollten ja nicht so viel meckern. Denn hat man sich mit den Merkwürdigkeiten des bei VW erdachten Bedienkonzepts erst einmal gewöhnt, lässt sich der Cupra Born auch außerhalb der Stadt mit viel Spaß bewegen. Das Fahrwerk ist auch im Comfort-Modus aufgrund einer dezenten Tieferlegung und der großen Räder sportlich-straff, die Lenkung direkt und dank Heckmotor gänzlich frei von Antriebseinflüssen. Da kommt Freude auf. Auch weil die Entwickler auf künstliche Fahrgeräusche, die den Sound der alten Zeit oder von Raumschiffen nachzuahmen versuchen, dankenswerterweise verzichtet haben. Derlei aufgesetzte Emotionalität hat das Auto nicht nötig: Es aktiviert auch so schon alle Sinne.
Unser Fazit: Wer den Cupra Born nur als Zweitwagen und überwiegend im Regionalverkehr bewegen möchte, dem wird die Version mit dem 58 kWh-Akku genügen, vielleicht sogar schon das Basismodell mit dem 45 kWh großen Stromspeicher. Alle anderen sollten die stärkere Version abwarten – und beizeiten ordern: Das Werk in Zwickau arbeitet bereits nahe an der Kapazitätsgrenze.