Die Deutschen verlieren allmählich ihre Scheu vor dem Elektroauto. Nach dem aktuellen „Mobility Insights Report“ , den die Leasinggesellschaft LeasePlan alljährlich zusammen mit dem Marktforschungsinstitut Ipsos durchführt, bewerten inzwischen 40 Prozent aller Deutschen die emissionsfreie Elektromobilität als positiv. Und 28 Prozent der Befragten erklärten, dass sich ihre Meinung zum Thema Elektromobilität in den zurückliegenden drei Jahren positiv verändert habe. Immerhin 42 Prozent können sich deshalb vorstellen, bei nächster Gelegenheit auf ein Elektroauto umzusteigen.
Allerdings hinken die Deutschen auch in diesem Punkt den Menschen in den Nachbarländern und in der übrigen Welt deutlich hinterher: Weltweit ist die Akzeptanz der Elektromobilen und von Elektroautos deutlich höher. Nach der Umfrage von Ipsos unter 5000 Autofahrerin in 22 Ländern finden 65 Prozent der Menschen die Elektromobilität gut. Und eine klare Mehrheit von 61 Prozent kann sich auch einen baldigen Umstieg auf das Elektroauto vorstellen. In Deutschland plagen die Autofahrer immer noch Reichweitenängste: Sie wünschen sich Elektroautos mit stärkeren Akkus und einen stärkeren Ausbau der Ladeinfrastruktur.
„Wir sehen, dass die Autofahrer zwar bereit sind, ihren Beitrag zur Bekämpfung des Klimawandels zu leisten – doch neben dem hohen Kaufpreis halten Reichweitenangst und mangelnde Infrastruktur sie noch ab“, kommentierte Roland Meyer, der Geschäftsführer von LeasePlan Deutschland, das Ergebnis des Reports. In seinem eigenen Unternehmen nimmt er darauf aber keine Rücksicht mehr: Nach der neuen Car Policy, die vor wenigen Tagen nach Gesprächen mit dem Betriebsrat beschlossen wurde, dürfen Führungskräfte nur noch Elektroautos als Dienstwagen nutzen.
Wir sprachen mit Roland Meyer über die neue Car Policy von LeasePlan und über die Energiewende, die sich gerade auch in den Fuhrparks anderer Unternehmen vollzieht.
Kein Dienstwagen mehr ohne Stecker
Herr Meyer, die Nachfrage nach Elektroautos ist in Deutschland stark gestiegen. Macht sich das auch bei Ihnen bemerkbar?
Aber ja doch: Wir haben mit unserem Betriebsrat eine neue Car Policy verabschiedet. Darin steht , dass unsere Mitarbeiter künftig ein reines Elektroauto fahren, bis auf ganz wenige Ausnahmen. Schon 2019 haben wir gesagt, dass kein Dienstwagen mehr ohne Stecker zugelassen ist. Wir sind damals also auf schon auf Batterieautos und Plug-in-Hybride umgeschwenkt. Inzwischen haben wir festgestellt, dass die Hybridautos die Straßen schwemmen und die Umweltbudgets belasten.
Weil die Antriebsform steuerlich gefördert wird.
Genau. Deshalb will jeder so ein Auto haben, weil er dann nur noch 0,5 Prozent des Bruttolistenwerts versteuern muss. Wir haben entschieden, künftig nur noch reine Elektroautos zuzulassen. Denn wir wollen, dass die Fuhrparks unserer Kunden bis 2030 und unser eigener Fuhrpark bis Ende 2021 lokal emissionsfrei sind.
Schon Ende dieses Jahres?
Ja, das ist das Ziel und der Anteil der Elektroautos im Fuhrpark von Leaseplan ist schon relativ hoch. Das Management-Team fährt beispielsweise schon seit 2019 nur noch Elektroautos.
Wie groß ist denn Ihr Fuhrpark überhaupt?
Wir zählen da etwa 120 Autos.
Und wie viele davon sind heute bereits elektrisch angetrieben?
Etwa 25 Mitarbeiter fahren reine Elektroautos und 30 fahren Plug-in Hybride, weitere Fahrzeuge sind bestellt. Die neue Car Policy gibt jetzt einen neuen Anschub.
Darf ich fragen, was Sie persönlich fahren?
Einen Audi e-tron – rein elektrisch und ich mag es sehr, ihn zu fahren.
Was war Motivation von LeasePlan, die Flotte zu elektrifizieren? Sie wollten Kosten sparen?
Nein, wir wollten etwas für die Umwelt tun. Wir sind Mitglied bei EV 100, einer globalen Initiative, die sich zum Ziel gesetzt hat, Fuhrparks von Unternehmen bis zum Jahr 2030 komplett auf Elektroautos umzustellen. In einigen Länder fällt das leicht. Wir in Deutschland mussten erst einmal warten, bis die Ladeinfrastruktur das hergab. Inzwischen kann man auch in Deutschland mit dem Elektroauto ganz gut Langstrecke fahren – wenn das Auto eine entsprechende Ladeleistung hat. Bei uns ist ein Wert von 100 kW das Minimum. Sonst stehen unsere Leute zu lange an der Ladesäule.
Wie sind Sie auf den Wert gekommen?
Durch verschiedene Praxistests und zum Bespiel eine Wettfahrt eines Tesla Model 3 gegen einen Audi e-tron von Düsseldorf nach Saas Fee. Unsere Erfahrung zeigt, dass Fahrzeuge unter 100 kW Ladeleistung nicht gut geeignet sind um lange Strecken zurückzulegen.
Und wer hat gewonnen?
Der Tesla schafft ja angeblich bis zu 490 Kilometer mit einer Akkuladung, der Audi nur 350 km. Wir landeten immer an der gleichen Ladesäule. Somit waren in der Theorie beide Gewinner.
Daraufhin haben Sie sich dann für den Audi e-tron entschieden. Wie sieht es denn bei Ihren Kunden aus: Sind die inzwischen auch alle im Elektro-Fieber?
Da ist einiges in Bewegung gekommen. Am Anfang waren die Unternehmen vor allem auf Plug-in-Hybride fokussiert bis beschränkt. Jetzt, wo die erschwinglicheren Batterieautos auf den Markt kommen wie ein Polestar 2 und auch der Ford Mustang Mach E, wächst auch das Interesse an den reinen Elektroautos.
Die Energiewende im Fuhrpark ist in vollem Gange?
Sowohl bei den Dienstwagen wie bei den Firmenwagen, hier insbesondere bei den Lieferwagen für die letzte Meile. Derzeit werden eine Menge Transporter mit Elektroantrieb bestellt – insbesondere durch den derzeitigen Boom beim Online-Shopping.
Und die Umstellung läuft überall reibungslos? Oder hören Sie auch von Problemen?
Die Unternehmen haben einen großen Bedarf an Hilfestellungen aller Art. Wir haben deshalb eigens eine Beratergruppe explizit für alternative Antriebe gegründet.
Und womit schlagen die sich herum? Mit der Angst der Kunden, mit leerem Akku auf der Dienstfahrt liegenzubleiben?
Die Reichweitenangst ist spürbar gesunken, das Thema scheint überwunden aufgrund auch unserer Beratungen. Mehr beschäftigten wir uns im Augenblick mit der Frage, wie Unternehmen Lademöglichkeiten für Plug-in-Hybride schaffen können. Nicht nur am Arbeitsplatz, sondern vor allem am Wohnort des Nutzers. Denn die Autos müssen regelmäßig ans Stromnetz, damit sie ihre Vorteile ausspielen können.
Die Montage von Wallboxen ist doch kein Hexenwerk.
Das nicht. Aber schwieriger ist es, den Strombezug abzurechnen. Ich halte daheim meinen Allego-Ladechip an die Box – und dann erstattet mir LeasePlan den Strom, den ich in mein dienstlich genutztes E-Auto gefüllt habe.
Na also, geht doch.
Ja, aber diese Abrechnungsstrukturen sind noch nicht ausgereift in Deutschland. Oft ist das noch ein manueller Prozess. Entsprechend holprig läuft es dann trotz Beratungen.
Woran liegt das aus Ihrer Sicht?
Es liegt daran, dass man es in der Regel mit mehreren Partnern zu tun hat, die teilweise über ein Roaming-System miteinander verbunden sind und teilweise nicht. Da knirscht es manchmal. Das zweite Thema ist die mangelnde Transparenz der Tarifstrukturen an den Säulen: Manchmal bekommt man eine Rechnung für eine Akkuladung über 60 oder 70 Euro. Und dann gibt es noch einen dritten Punkt, der für Diskussionen sorgt.
Nämlich?
Die Infrastruktur in den Gebäuden. Wir selbst mussten in unserem erst einmal ermitteln, wie viel Strom verfügbar ist. Da muss man schauen, wie viel Kapazität das Hausnetz hat und wie viel davon noch frei ist für den Ladestrom. Zu 95 Prozent kann solche Fragen niemand sofort beantworten. Es dauert manchmal Monate, um die Stromkapazität eines Hauses festzustellen. Und meistens kommt dabei heraus, dass sie nicht für den Betrieb von 20 Ladeboxen reicht. Wir haben deshalb bei uns ein intelligentes Ladesystem installiert. Mit 28 Ladepunkten mit jeweils 11 kW Ladeleistung, die allein mit der Restkapazität des Hauses betrieben werden. Unterwegs brauchen Sie 250 oder 350 kW Ladeleistung, aber nicht, wenn der Wagen den Tag über in der Garage parkt.
Das Angebot an Automodellen mit Elektroantrieben wächst derzeit rasant. Wie viele Batterieautos hat LeasePlan augenblicklich im Angebot? Vor vier Jahren, so erinnere ich mich, konnte man als Dienstwagen-berechtigter Kunde nur zwischen einem BMW i3 und dem e-Golf wählen.
Bei uns kriegen Sie derzeit alles, was aktuell auf dem Markt ist. Viele Auto testen wir selbst, um unsere Beratung zu verbessern. Aktuell sind das einige Fahrzeuge aus China sowie auch der VW ID.3 und der Polestar. Wenn Autos einen Stecker haben, haben wir sie.
Die Lieferfähigkeit scheint gelegentlich ein Problem zu sein – auf einige Modelle muss ein Interessent derzeit fast ein Jahr warten.
Die Hersteller haben nach meinem Kenntnisstand aktuell an drei Stellen Herausforderungen: Es gibt nicht genügend Akkus, es gibt nicht genügend Computer-Chips. Und nun fehlen auch noch Teile von Zulieferern aus Osteuropa aufgrund von Grenzkontrollen und -schließungen.
Viele neue E-Fahrzeuge sind SUV. In den Dienstwagen-Richtlinien vieler Unternehmen sind die aber verboten. Wie gehen Sie damit um?
Im eigenen Unternehmen haben wir sie schon immer zugelassen. Auch die meisten unserer Kunden lassen SUVs zu. Inzwischen gibt es aber auch Alternativen. Es gibt den Polestar 2, das Tesla Model 3. Wir kommen mit den neuen Modellen und dank der Förderung auch in Preisregionen, wo die Fuhrparkmanager nicht mehr aufschrecken, wenn ein Elektroauto geordert wird. Die neuen Elektroautos sind in einer Preisklasse mit einem Dreier BMW oder einem Audi A4. Und das sind die Brot-und-Butter-Autos im Fuhrparkgeschäft.
Aber billiger wird es durch die Elektrifizierung für die Flottenbetreiber nicht.
Das Beste liegt noch vor uns. Die neue Palette an Elektroautos ist günstiger. Und ein Umstieg von einem Dreier BMW auf einen Polestar 2 sollte keine Probleme bereiten.
Dem Kunden sicher nicht. Aber fürchten Sie nicht, dass LeasePlan mit der steigenden Zahl von Elektroautos demnächst vor einem Restwertproblem steht? Die Technik der Autos entwickelt sich rasant, so dass auch ein Polestar oder Tesla dann alt aussehen könnte.
Das sehe ich nicht so. Wenn Sie heute in einen Tesla steigen, ist es egal, ob das Auto blau oder weiß lackiert ist, wie viele Kilometer er schon gefahren hat und wann die Erstzulassung war. Denn er fährt genauso wie vor ein paar Jahren und ist dank Software-Updates auf einem neueren Stand als zum Zeitpunkt der Erstauslieferung.
Na, ja, die Sitze könnten schon ein wenig ramponiert sein und der Lack ermattet.
Ja, aber das ist kein Grund, das Auto nicht noch weiter zu fahren. Man kann ihm leicht ein zweites oder drittes Leben schenken mit ein paar kleinen Maßnahmen. Es gibt auf jeden Fall einen Markt für ältere Elektroautos.
Und derzeit gehen aufgrund von Corona die Laufleistungen zurück – die Autos könnten also in zwei Jahren deutlich geringere Kilometerstände auf dem Tacho haben als kalkuliert.
In der jetzigen Zeit haben wir uns eine andere Art der Mobilität angewöhnt. Andererseits waren wir auch auf einem Weg, der weg von der Individualmobilität führte. Jetzt will wieder jeder mit dem Auto fahren. Sie haben jetzt wieder einen erhöhten Bedarf an Dienstfahrzeugen.
Obwohl die Fahrleistungen eher zurückgehen?
Wir beobachten unseren Fuhrpark sehr genau über die Abrechnung der Tankkarten. Nach dem ersten Lockdown waren wir schnell wieder auf fast 80 Prozent der Fuhrparknutzung wie vor der Krise. Wir blicken optimistisch in die Zukunft und auf das neue Normal.