Kunden von EnBW können ab sofort wieder mit ihrem Elektroauto die Schnellladeparks von Ionity ansteuern und dort mit einer Ladekarte oder der App mobility+ wieder Gleichstrom zapfen. Billig wird der Ladevorgang allerdings nicht: Fällig werden 79 Cent pro Kilowattstunde. EnBW hat deshalb seine Kunden vorsorglich gewarnt und weist Ionity in seiner App als „Hochpreis-Betreiber“ aus – für den Fall, dass dem Kunden die Vorgeschichte nicht bekannt sein sollte.
Denn vor fast genau einem Jahr war die Roaming-Partnerschaft zwischen dem Energieversorger und dem Konsortium der Autoindustrie an „unterschiedlichen Vorstellungen über die Preispolitik“ geplatzt. EnBW reagierte damit auf die neue Tarifpolitik bei Ionity, die für viele Elektromobilisten zum Teil drastische Preiserhöhungen bedeutete: Statt einer Pauschale von 8 Euro für eine Akkuladung sollten sie an den Schnellladestationen an der Autobahn 79 Cent pro Kilowattstunde zahlen.
Zweiklassen-Gesellschaft am Ionity-Lader
Kunden von EnBW kamen bis dahin an den Ionity-Chargers mit 49 Cent im Standard- und 39 Cent im Vielfahrer-Tarif vergleichsweise günstig davon. Ausnahmen gab es nur für die Fahrer von Elektroautos jener Marken, die zum damaligen Zeitpunkt hinter dem Ionity-Konsortium (BMW, Daimler und der Volkswagen-Konzern) standen. Sie erhielten „Vorzugstarife“ mit Strompreisen zwischen 29 und 34 Cent pro Kilowattstunde – je nach Marke und Vertragskonstruktion.
Die Wellen schlugen damals mächtig hoch, nicht nur bei EnBW. Zeitweise hatte auch der Energieversorger Maingau eine Trennung von Ionity erwogen, dann aber im vergangenen August mit dem Konsortium zähneknirschend einen neuen Roaming-Vertrag und einen „Sonderpreis“ von 75 Cent pro Kilowattstunde aushandeln können.
EnBW baut „HyperNetz“ weiter aus
Zwischen EnBW und Ionity hingegen herrschte erst einmal eine ganze Weile Funkstille – die Stuttgarter waren auf die Partnerschaft aufgrund des großen eigenen Ladenetzes nicht so sehr angewiesen. Wie Timo Sillober, zuständig unter anderem für den Aufbau der Ladeinfrastruktur für Elektroautos kürzlich in einem „Lade-Talk“ mit EDISON verriet, war der Kontakt zu den Kollegen bei Ionity nie komplett abgebrochen. Und Ende vergangenen Jahres wurde der Austausch über einen Neustart intensiviert – mit dem nun vorliegenden Ergebnis.
EnBW reagierte damit vor allem auf Kundenwünsche – ihnen kann das Unternehmen nun europaweit eine nochmals größere Zahl von Lademöglichkeiten anbieten. Nach der E-Mobility Excellenz-Studie von P3, ThonData und CIRRANTiC konnte EnBW seinen Kunden Ende vergangenen Jahres europaweit bereits 123.500 öffentliche Lademöglichkeiten anbieten, davon 2.400 High-Power-Charger mit Ladeleistungen von über 150 Kilowatt und zu Preisen von weiterhin 39 und 49 Cent pro Kilowattstunde. Inzwischen sollen es nach EnBW-Angaben europaweit rund 150.000 Ladepunkte sein und 500 Schnellladestandorte allein in Deutschland. Mit Ionity wird das europäische „HyperNetz“ der EnBW nun auf einen Schlag um noch einmal 338 Ladeparks und etwa 1000 Schnelllademöglichkeiten größer – worüber die bisherige Tarifeinheit allerdings verloren geht.
Selbst in den Schnellladeparks der niederländischen Fastned-Gruppe kann seit Januar zu EnBW-Konditionen Strom gezapft werden. „Gäste“ zahlen da normalerweise 59 Cent/kWh.
EnBW ist de facto ein Staatsbetrieb der fleißig „gendert“, also immer „Kund*innen“ schreibt, egal ob denen das gefällt oder nicht. Allerdings wird die Ionity GmbH, eine Gesellschaft, von EnBW als „Hochpreis-Betreiber“ angeprangert, anstatt als „Hochpreis-Betreiberin“. Für so viel Konsequenz hat das „Gendungsbewusstsein“ offenbar nicht ausgereicht.