Für entspannte Urlaubsreisen mit dem Elektroauto ist ein Akku mit einem großen Speichervermögen schon mal eine gute Voraussetzung: Je größer die Reichweite, desto geringer fällt die Zahl der Ladepausen aus. Die Reisezeit hängt aber auch davon ab, wie lang oder kurz die Ladepause ausfällt – nur wenige Minuten oder eine Stunde und mehr, um den Akku mit einem Füllstand von 10 Prozent wieder auf einen SoC („State of Charge“) von 80 Prozent zu bringen.
„Die entscheidende Kenngröße“ für die Nutzer eines Elektroautos, sagt die P3 Group aus Stuttgart, „ist die benötigte Zeit, um echte Reichweite nachzuladen “ – und weniger die maximale Ladeleistung in Kilowatt. Denn die liege bei vielen Fahrzeugen oft nur wenige Minuten an.
Die auf die Automobilbranche und die Antriebswende spezialisierte Unternehmensberatung hat auf der Basis der Erkenntnis den „P3 Charging Index“ entwickelt. Das langstreckentauglichste Elektroauto ist demnach das Fahrzeug, dass 300 Kilometer reale Reichweite innerhalb von 30 Minuten nachladen kann. 21 Stromer der Oberklasse (mit einem Nettolistenpreis von über 65.000 Euro), Mittelklasse (zwischen 35.000 und 65.000 Euro) sowie der Kompaktklasse (bis 35.000 Euro) haben die Experten für die dritte Ausgabe des „Charging Index“ an der Schnellladesäule gemessen.
309 Kilometer Reichweite in 20 Minuten
Aber nur ein Fahrzeug kam dabei auf einen Idealwert von 1,0: Das Mittelklasse-Modell Kia EV6. Nach 20 Minuten an einem 350 kW High Power-Charger hatte die heckgetriebene Version des Koreaners (mit einer Batteriekapazität von 77,4 kWh) Energie für 309 Kilometer nachgeladen. Der Kia kam damit auf Indexwert von 1,03 – und zeigte allen anderen Wettbewerbern die Heckleuchten.
Auf den insgesamt zweiten Platz kam der Mercedes EQS 450+ mit einem Indexwert von 0,92 vor dem BMW iX xDrive 50 und dem Schwestermodell Hyundai Ioniq 5 (0,91). Der Mercedes lud in 20 Minuten Strom für eine Reichweite von 275 Kilometer, der BMW für 273 und der Hyundai für 272 Kilometer. Für die Ermittlung der Reichweiten wurde die Werte des ADAC Ecotests zugrunde gelegt. Auch die Ladeverluste wurden mit einkalkuliert.
Schnellladefähigkeit entscheidend
Das Ergebnis werteten die Experten von P3 als „klares Indiz, dass die maßgebende Entwicklung hin zu langstreckentauglichen E-Fahrzeugen nicht nur in der Oberklasse stattfindet, sondern parallel auch in anderen Segmenten vorangetrieben wird.“ Der direkte Vergleich mit den Ergebnissen der vorangegangenen Untersuchungen belege eine deutlich Verbesserung der Schnellladefähigkeit – in allen Segmenten.
Insgesamt fünf Fahrzeugen bescheinigt der P3 Charging Index Spitzenleistungen am Schnellladepunkt – mit einem Reichweitengewinn von 271 Kilometer in 20 Minuten und einem Indexwert von 0,90 rundete der Porsche Taycan GTS das Spitzenfeld ab. Etwas überraschend: Ein Tesla zählt nicht dazu. Das Model 3 Long Range (Indexwert 0,74) und das Model Y LR (0,58) landeten bei dem Ranking nur im Mittelfeld. Ein Grund: Die maximale Ladeleistung lang nur sehr kurze Zeit an. Im Schnitt kam das Model 3 am Tesla Supercharger der Version 3 nur auf eine Ladeleistung von 146 kW, das Model Y nur auf 109 kW.
Immer größere Akkus „nicht zielführend“
„Für die weitere Fahrzeugentwicklung sind sowohl die Steigerung der Ladeleistungen als auch die Optimierung der Verbrauchswerte zu berücksichtigen, schrieben die Unternehmensberater der Autoindustrie ins Stammbuch. Die Vergrößerung der Speicherkapazitäten hingegen sei aus technischer und vor allem wirtschaftlicher Sicht „nicht zielführend“. Es gebe da bessere Stellhebel, um die Langstrecken- und Reisetauglichkeit von Elektroautos zu verbessern. Unter anderem durch eine intelligente Vorkonditionierung der Batterie, um an der Ladesäule von der ersten Minute weg auf eine hohe Ladeleistung zu kommen. Oder durch die Optimierung der Ladekurve, um über einen möglichst langen Zeitraum Strom mit hoher Leistung in die Akkuzellen zu pumpen.
Die Ladepause und damit die Reisezeit mit dem Elektroauto könne auf diese Weise deutlich verkürzt werden.