Schick sieht er ja aus, der Opel Astra der sechsten Generation. „Rattenscharf“ würde wahrscheinlich mein Sohn sagen – und beim Blick über die scharf geschnittenen Linien und Kanten des neuen Kompaktautos müsste ich ihm zustimmen: Die Opel-Designer rund um Friedhelm Engler haben wirklich einen tollen Job gemacht. Auch die zweifarbige Lackierung in „Kult-Gelb“ (mit einem Dach in „Karbon-Schwarz“) steht unserem Testwagen in GSe-Ausführung ausgesprochen gut. Sie passt zu den Ambitionen, die Opel mit dem neuen Modell verfolgt: Zurück in den Windschatten des VW Golf zu kommen – und den ewigen Rivalen endlich einmal zu überholen.

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Technische Daten
Opel Astra Plug-in Hybrid

Antrieb: 1,6 Liter Turbobenziner mit 110 kW (150 PS), E-Maschine mit 81 kW.
Systemleistung: 133 kW (180 PS.
Akkukapazität: 12,4 kWh; Tankvolumen: 42 Liter
Elektrische Reichweite (lt. WLTP) 59-60 km
Leergewicht: 1678 Kg, zul. Gesamtgewicht: 2150 Kg
Höchstgeschwindigkeit: 225 km/h, 135 km/h elektrisch
Basispreis: 36.710 Euro; Testwagenpreis: 45.540 Euro

Die Voraussetzungen dafür scheinen gut. Denn der Klassenprimus schwächelt: Sein neues Bedienkonzept kommt bei vielen Stammkunden nicht gut an, die Betriebssoftware trieb viele Erstkäufer mit vielen Ausfällen schier in den Wahnsinn. Und das „digitale“ Design des VW Golf 8 ist, nun ja, etwas gewöhnungsbedürftig. Speziell, was die Frontgestaltung anbetrifft. Letzteres ist aber Geschmackssache – darüber streitet man hier besser nicht.

Klare Kante 
Mit dem Design des neuen Opel Astra freundete sich der Autor schnell an. Den Antrieb des Plug-in-Hybrid hingegen findet er noch nicht perfekt - die elektrische Reichweite ist seiner Meinung nach zu gering, um zukunftsfähig zu sein.  Foto: Dani Heyne
Klare Kante
Mit dem Design des neuen Opel Astra freundete sich der Autor schnell an. Den Antrieb des Plug-in-Hybrid hingegen findet er noch nicht perfekt – die elektrische Reichweite ist seiner Meinung nach zu gering, um zukunftsfähig zu sein. Foto: Dani Heyne

Da kommt der neue Opel Astra schon deutlich prägnanter, dynamischer, schicker daher. Das gilt auch für das Interieur und die Materialien dort. Unterhalb der Kniezone findet sich zwar auch hier jede Menge Hartplastik, aber alles oberhalb der Gürtellinie schmeichelt Auge und Tastsinn. Die Sportsitze (mit Bezügen in „Premium-Lederoptik Greta“ sitzen perfekt. Und gegen einen überschaubaren Aufpreis gibt es sogar ein Head-Up-Display. Da hat der Einkauf gute Arbeit geleistet. Warum allerdings die Kleiderhaken im Fond weggespart wurden, bleibt ein Rätsel.

Akku des Plug-in Hybrid fasst nur 12,4 kWh

Aber genug zu den Äußerlichkeiten. Viel wichtiger ist in umweltbewegten Zeiten natürlich der Antrieb. Opel will ab 2028 nur noch rein elektrische Fahrzeuge anbieten. Doch die sechs Jahre bis dahin werden noch mit konventionellen Benzinern und Dieselmotoren überbrückt – und erstmals auch zwei Teilzeitstromern, so genannten Plug-in Hybriden.

Ab kommenden Jahr soll es den Astra zwar auch mit einem rein elektrischen Antrieb kommen. Aber zu dessen Leistungsdaten mag der stellvertretende Chefingenieur ebenso wenig einen Ton verlieren wie auf die Frage nach der Priorisierung der Varianten. Mit einem e-Astra gleich zur Modelleinführung hätte man den VW Golf leicht aus dem Feld schlagen können. Denn einen E-Golf gibt es nicht mehr. Zumal es von dem Astra auch einen vollelektrischen Astra Caravan, sorry: Sports Tourer, geben soll – ein perfektes Familienauto.

Klare Orientierung
Ein Leuchtturm ist der neue Opel Astra selbst in der Lackierung Kult-Gelb zwar nicht, aber ein guter Orientierungspunkt – was Design, Fahrwerk und Ergonomie anbetrifft. Foto: Opel

Aber der Weg zu den Sternen, so wissen wir seit Seneca, ist mühsam: „Non est ad astra mollis e terris via“. auf deutsch: Es ist kein weicher Weg von der Erde zu den Sternen. Und das bestätigt sich (leider) bei der ersten Ausfahrt mit unserem goldenen Reiter, dem Opel Astra Plug-in Hybrid. Das aktuelle Topmodell mit einer Systemleistung von 133 kW (180 PS) und einem maximalen Drehmoment von 360 Newtonmetern – ein 165 kW (225 PS) starker PHEV wird im Laufe des Jahres nachgeschoben – lässt sich zwar durch dynamisch bewegen. Aber auch nur solange, wie der 12,4 kWh große Akku gefüllt ist.

Emissionsfrei dank Rekuperation und Segelbetrieb

Und das ist selbst bei zurückhaltender Fahrweise nicht lange der Fall: Spätestens nach 40 Kilometern springt der Benziner an. Dabei soll man im Schnitt eigentlich bis zu 60 Kilometer weit stromern können, im Stadtverkehr sogar bis zu 74 Kilometer. Wie das gelingen soll, bleibt jedoch ein Geheimnis der Opel-Ingenieure. Und gespannt darf man erwarten, wie hierzulande die neuen Förderbedingungen für Plug-in Hybride im kommenden Jahr aussehen werden – und ob Käufer des Astra Hybrid dann noch den vollen Umweltbonus in Höhe von 7.177,50 Euro einstreichen können.

Plug-in Hybrid Der Verbrauch und der CO2-Ausstoß der Teilzeitstromer ist deshalb meist deutlich höher als vom Hersteller angegeben, fand eine Studie des ICCT heraus. Hybridantrieb

Trotzdem haben wir auf den Testfahrten durch Portugal sogar 35 Prozent der Strecken emissionsfrei zurückgelegt, wie uns der Bordcomputer informiert. Mit einem durchschnittlichen Stromverbrauch von 2,1 kWh auf 100 Kilometer und 6,1 Litern Benzin . Wie das? Nun, in die Rechnung des Bordcomputers fließen auch die Strommengen ein, die während der Fahrt durch Rekuperation gewonnen werden. Und wenn es bergab geht, gibt es auch lange Phasen, in denen sich der Verbrenner auskuppelt, die Strecke im so genannten Segelmodus zurücklegt. Das senkt den Energieverbrauch und schont die Umwelt. Laut WLTP-Verbrauchsnorm begnügt sich der neue Astra im Schnitt mit einem Liter Sprit auf 100 Kilometer. Und nur etwas mehr als 20 Gramm CO2 werden dabei freigesetzt – sagt das Protokoll.

Kein Anschluss unter dieser Nummer
Der Plugin Hybrid verfügt noch über einen Typ-2-Ladeanschluss für Wechselstrom. Die Nutzung von Schnellladestationen entlang der Autobahn ist damit ausgeschlossen. Foto: Rother

Voraussetzung dafür ist natürlich, dass der Akku regelmäßig geladen wird. Während der Arbeitszeit oder über Nacht. Auf Fernfahrten hingegen bringt das nicht viel. Denn der Astra Hybrid nimmt den Strom serienmäßig nur mit einer Ladeleistung von 3,6 kW auf. Gegen Aufpreis von 500 Euro fließt der Wechselstrom auch einphasig mit 7,2 kW. Gleichstrom tanken am Schnelllader geht gar nicht, so dass man die meisten Ladestationen entlang der Autobahn links liegen lassen muss. Denn auf der linken Seite befindet sich der Ladeanschluss – die für Länder mit Rechtsverkehr bessere rechte Seite ist dem Benzin-Einfüllstutzen vorbehalten. Die „Multi-Energy“-Plattform des Stellantis-Konzern zwingt zu Kompromissen – der Elektroantrieb ist da eher Beiwerk.

Wunschliste für den Stromer

Aber wir wissen ja: Der Weg zu den Sternen ist steinig. Und mit der ersten Batterie-Version des Opel Astra werden sich hoffentlich die Prioritäten nicht nur in Rüsselsheim verschieben. Wir hinterlassen hier schon einmal unsere Wunschliste für das neue Modell: Mindestens 60 kWh Speicherkapazität für die Batterie für 400 Kilometer Reichweite (schon um mit dem Renault Megané E-Tech und dem VW ID.3 gleichziehen zu können). Einen CCS-Schnellladeanschluss mit mindestens 150 kW DC-Ladeleistung und 11 kW AC. Und, bitte, zwei kleine Kleiderhaken im Fond.

Der Rest kann bleiben – da stimmt für den Augenblick alles.

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