Elektriker brauchen sie, Installateure und viele andere Handwerker, von der Post und Lieferdiensten ganz zu schweigen: Preiswerte Kombivans mit großem Ladevolumen und hoher Zuladung, kompakte Kastenwagen vom Kaliber eines Renault Kangoo Rapid, Opel Combo, Citroen Berlingo oder VW Caddy Cargo. Die genügsamen Kleintransporter auf Stahlfelgen haben heute in Westeuropa zu 90 Prozent einen Dieselmotor an Bord, müssen aber nun auf Geheiß der Politik ebenfalls schleunigst das Stromern lernen: Ab 2035 sollen nach einem Votum des EU-Parlaments auch leichte Nutzfahrzeug nur noch dann neu zugelassen werden dürfen, wenn sie über einen Elektroantrieb verfügen.
Aktuell sind nach den Statistiken des europäischen Fahrzeugherstellerverbandes ACEA gerade mal drei Prozent aller LCVs (Light Commercial Vehicles) elektrifiziert, als Teil- und Vollzeitstromer unterwegs. Die Hälfte der Lastesel mit der neuen Antriebstechnik wurden im vergangenen Jahr noch in Frankreich und Deutschland zugelassen – der Nachholbedarf in der EU ist enorm. Aber so langsam kommt Bewegung in den Markt. Das Angebot wächst, auch die Leistungsfähigkeit der elektrischen Kleintransporter. Größtes Handicap der Vollstromer sind – und bleiben – allerdings die hohen Preise: Bis zu 15.000 Euro kostet es den Handwerker aktuell mehr, will er etwas für die Umwelt tun.
Und daran ändert auch der neue Renault Kangoo Rapid E-Tech Electric (die vollständige Modellbezeichnung ist tatsächlich so lang) nichts, den die Franzosen jetzt zu Preisen ab 40.448 Euro in verschiedenen Ausführungen und einer Vielzahl von Individualisierungsmöglichkeiten auf die Straße bringen – soweit es die Liefersituation zulässt: Über Absatzzahlen mochte bei der Vorstellung des neuen Autos keiner der Renault-Manager sprechen. Entwickelt wurde das Fahrzeug gemeinsam mit Mercedes-Benz. Der Mercedes-eCitan kommt allerdings erst am Jahresende auf den Markt.
Zweite Generation rundum verbessert
Bei Renault ist es bereits die zweite Generation eines Kleinlieferwagens mit Elektroantrieb – vom Vorgänger wurden bereits rund 75.000 Einheiten verkauft. Der Neue bietet deutlich mehr Leistung (mit 90 kW/122 PS doppelt so viel wie der Vorgänger), dank einer stärkeren Batterie mit 44 kWh Kapazität einen spürbar größeren Aktionsradius von bis zu 350 Kilometern (nach WLTP-Verbrauchsnorm) sowie (gegen einen Aufpreis von 1190 Euro) eine Ladeleistung am DC-Schnelllader von bis zu 80 kW. Dafür muss der Kastenwagen allerdings mit einer AC-Ladeleistung von 22 kW bestellt werden. Serienmäßig zieht er den Strom an der Wallbox nur mit 11 kW.
Ja, wer sich den Kangoo Rapid nach seinen Vorstellungen und Bedürfnissen ausstatten und einrichten möchte, braucht eine gute Auftragslage und ein gut gefülltes Konto: Die Aufpreisliste ist lang und vielfältig. Unser Testwagen in der Ausführung L1 von 4,49 Metern Länge und 3.900 Litern Packvolumen kam unter anderem mit der innovativen Ladelösung „Open Sesame“ daher – einer extrabreiten seitlichen Schiebetür ohne störende B-Säule. Daraus ergibt sich eine seitliche Ladeöffnung von 1,45 Metern. Ideal für den schnellen Zugriff auf die Pakete oder die kleine Werkstatt im Laderaum. Für die Lösung hat sich Renault Exklusivität gesichert – der eCitan von Mercedes wird sich damit nicht schmücken können.
Sparsamer Verbrauch bei defensiver Fahrweise
Die Fahrleistungen jedoch dürfen identisch sein. Und die sind für die angedachten Einsatzzwecke mehr als ausreichend sein, wie unsere Testfahrt zeigte. Obwohl im über drei Kubikmeter großen Laderaum eine Kiste mit 150 Kilogramm Gewicht verzurrt ist, tritt der Kangoo E-Tech leichtfüßig an: Mit einem maximalen Drehmoment von 245 Newtonmetern baut der Elektro-Synchronmotor an der Vorderachse genügend Dynamik auf, um im Stadtverkehr und auf der Landstraße gut mithalten zu können. Der Kangoo ist kein Rennwagen, aber durchaus tauglich für Expressdienste.
Und sparsam im Betrieb ist der kleine Lastesel obendrein: Unsere Testfahrt endete mit einem Durchschnittsverbrauch von nur 15,5 kWh/100km – die Normwerte von 18,6-17,1 kWh/100 km) lassen sich bei vorausschauender Fahrweise und intensiver Nutzung der dreistufigen Rekuperation noch unterschreiten. Ansonsten muss der Handwerker auf nichts verzichten, was das Fahren angenehm und sicher macht. Es gibt jede Menge Ablagefächer, einen digitalen Innenspiegel (der über die Rückfahrkamera zeigt, was sich während der Fahrt hinter dem Auto abspielt), Licht- und Regensensor, elektrische Fensterheber sowie jede Menge Assistenzsysteme, unter anderem zum automatisierten Einparken und zum Fahren im Stau.
Airbags nur gegen Aufpreis
Vieles kostet allerdings Aufpreis – merkwürdigerweise auch die sechs Airbags zum Schutz von Fahrer und Beifahrer. Und teilweise sind die Aufpreise auch ganz schön happig: Für das Sicherheitspaket Premium (mit Abstandsradar, Toter-Winkel-Assistent und Notbremsassistent mit Fußgänger-Erkennung) werden über 3600 Euro aufgerufen. Und die Klimaautomatik samt Wärmepumpe steht mit fast 2000 Euro in der Preisliste.
„Beim neuen Kangoo Rapid E-Tech Electric“, sagte, Projektleiter Christophe Ragot, „bekommt man alles, was andere Anbieter auch haben – und noch mehr.“ Sofern, so muss man hinzufügen, die Besteller das nötige Kleingeld haben. Und da die angepeilte Zielgruppe die Kosten bekanntlich besonders stark im Auge hat, dürften viele der Elektro-Kangoos wohl leider nur in Basisausstattung vom Band laufen.