Renault konzentriert sich weiterhin auf die Umstellung seiner Modellpalette auf SUV-Formen und hat mit dem elektrischen Scenic ab nächstem Jahr einen neuen kompakten Crossover im Programm. Erst mutierte der Mégane zum SUV-Coupé, dann folgte der Espace und im Frühjahr rollt der neue Scenic an, der die gleiche Wandlung vollzogen hat. Silhouette, Kabinenkonzept, Antriebsart – nahezu alles ist neu bei diesem Crossover, der einst ein Ableger der Megane-Familie war. Der Renault Scenic ist 27 Zentimeter änger, zehn Zentimer breiter und sechs Zentimeter höher als der vollelektrische Mégane und glänzt mit Proportionen, die man von Konkurrenten wie einem Volvo XC40 Recharge oder einem Kia e-Niro kennt.
Bei dem neuen Franzosen – unterwegs auf der variablen CMF-EV-Plattform – stehen zwei Versionen zur Auswahl: eine mit einer 60-kWh-Batterie und einer Motorleistung von 125 kW (170 PS) sowie eine größere mit 87 kWh-Akku und 160 kW (218 PS) Spitzenleistung. Der Antrieb erfolgt ausschließlich über die Vorderachse. Etwas überraschend soll auch später keine allradgetriebene Version folgen.
Bis zu 625 Kilometer Reichweite – theoretisch
Beide NMC-Akkupakete werden von LG Chem hergestellt und bieten im Vergleich zum Megane eine um sechs Prozent verbesserte Energiedichte. Bei aktivem Navigationssystem konditioniert sich die Batterie zudem vor, um die Ladezeiten zu reduzieren. Die maximalen Reichweiten liegen je nach Batteriekapazität bei 425 sowie 625 Kilometer. Die maximale Ladegeschwindigkeit ist mit 150 Kilowatt 15 kW höher als beim Schwestermodell Megane, aber alles andere als rekordverdächtig.
Der Innenraum ist dem des Megane sehr ähnlich, aufgrund der größeren Abmessungen etwas luftiger. Der digitale Instrumentenbildschirm und das Infotainment-Display sind praktisch gleich groß (12,3 bzw. 12,0 Zoll). ZUm Einsatz kommt dhier as intuitive Android-Betriebssystem, an dessen Google-Funktionen man sich schnell gewöhnt, wenn man die nicht ohnehin schon kennt.
Der Satellitensteuerung für die Steuerung des Radios an der Lenksäule wirkt in dem modernen Innenraum dagegen als Fremdkörper. Bemängeln mag der eine oder andere das Fehlen eines Head-up-Displays oder die schlechte Sicht nach hinten. Immerhin hilft ein digitaler Innenspiegel und eine Rückfahrkamera beim Rangieren. Besser sind die bequemen Sitze, die ordentlichen Seitenhalt bieten.
Deutlich mehr Platz als im Megane
Das Raumangebot in der zweiten Sitzreihe ist sehr großzügig: Eine ausgestreckte Handfläche passt bei einem 1,80 Meter großen Fondpassagier zwischen die angewinkelten Knie und die Rückenlehne der Vordersitze. Und auch über dem Kopf ist Platz bis zum Innendach. Zudem besteht die Möglichkeit, ein Panoramadach mit variabler Lichtdurchlässigkeit zu ordern, das in der ersten Reihe undurchsichtiger und in der zweiten Reihe transparenter sein kann oder umgekehrt.
Viel Platz bieten die zahlreichen Ablagen und Stauräume mit einem Gesamtvolumen von 39 Litern. In der zweiten Reihe sticht eine funktionale Armlehne hervor, mit einer Ablage für Smartphones oder ein Tablet, zwei Getränkehalter und zwei USB-C-Steckdosen. Der Kofferraum bietet ein Fassungsvermögen von 545 Litern bei voller Bestuhlung. Das sind etwa 100 Liter mehr als im Megane. Durch Umlegen der Rücksitze lässt sich das Gepäckraumvolumen des Scenic auf 1670 Liter erweitern – in den Megane gehen maximal 1408 Liter.
Fronttriebler ist kein Kraftprotz
Der 4,45 Meter lange Fronttriebler ist alles andere als ein Kraftprotz, doch dank 300 Nm Drehmoment ist man damit flott unterwegs. Zumindest bis 170 km/h, denn hier wird der Vorwärtsdrang schon eingebremst. Aber egal in welchem Tempo man unterwegs ist – die Lenkung fühlt sich unabhängig vom angewählten Fahrprogramm zu leicht und auch zu unpräzise an. Während der Unterschied im Ansprechverhalten des Motors zwischen den Programmen Eco und Comfort deutlich ausfällt, ist beim Umschalten von Comfort auf Sport kaum etwas zu spüren.
Die Federung ist straff abgestimmt; ein Effekt, der bei Elektroautos durch das hohe Gewicht der Batterie noch verstärkt wird und die Stabilität fördert. Das unterstreichen nicht zuletzt die optionalen Räder im 20-Zoll-Format, die Komforteinbußen mit Vorteilen bei sportlicher Fahrweise ausgleichen. Doch für ein Familienmodell dürfte es gerne etwas kommoder sein.
Ein weiterer Aspekt, der nicht überzeugen kann, ist das Ansprechverhalten der Bremsen. Im ersten Viertel des Pedalwegs gibt es kaum Verzögerung und der rechte Biss kommt erst nach dieser Schwelle. Dazu ist das Pedalgefühl des stattliche 1,8 Tonnen schweren Renault Scenic in seinen vier Stufen der Energierückgewinnung recht schwammig.
Preise vermutlich ab 50.000 Euro
Der Verbrauch auf der knapp 100 Kilometer langen Teststrecke war deutlich höher als von den Franzosen angekündigt: Selbst mit einem nur kurzen Autobahnabschnitt endete die Fahrt mit einem Durchschnittsverbrauch von 22 kWh/100 km. Das liegt deutlich über dem Normverbrauch von 16,8 kWh/100 km liegt. Statt der avisierten 625 Kilometer wären so maximal 500 Kilometer Reichweite drin.
Die Preise des neuen Scenic wurden noch nicht verraten. Aber für die Basisversion mit der 60-kWh-Batterie sei von einem Aufpreis von etwa 3.000 Euro gegenüber dem Megane EV 60 (ab 46.600 Euro in Deutschland) auszugehen, heißt es. Das würde einen Einstiegspreis von rund 50.000 Euro bedeuten.