Eigentlich ist Mazda eine gefühlte Ewigkeit das technische Wunderkind der Branche. Stichwort Wankelmotor. Der Mazda Cosmo Sport 110 S war 1967 das erste Serienauto mit diesem seidenweich laufenden Zweischeiben-Kreiskolben-Motor. Und Kultstatus hat längst der Roadster MX-5, der seit Jahren hochhält was ganz früher britische Tugend war (Triumph Spitfire, MG MGB und so). Klein, leicht, offen, erschwinglich. Oder dieses extrem sparsame Skyactiv-X-Triebwerk, quasi ein Diesel-Benziner (mit Mildhybrid!), der die Kompressionszündung eines Dieselmotors ohne Zündkerze (Selbstzünder) mit der Entflammung des Benzingemischs durch eine Zündkerze kombiniert. Dazu Mazdas neue dynamische Designlinie, die seit 2014 unter dem Namen Kodo („Das Gefühl der Bewegung“) firmiert.

Andererseits mag sich Mazda von den bösen Verbrennern, die unterwegs umweltschädliches Kohlendioxid in die Atmosphäre pusten, nicht so richtig verabschieden. Diese Antriebslösungen seien, so das aktuelle Credo der Japaner, „je nach Region und Kundenanforderungen weiterhin wichtig“. Mazda nennt das hübsch „Multi-Solution-Ansatz“. Und der soll nach Überzeugung des Unternehmens schneller und wirkungsvoller zur Verringerung der CO₂-Emissionen beitragen als die einseitige Festlegung auf einzelne Technologien. Naja, darüber könnten wir jetzt lange diskutieren.

35,5 kWh für etwa 200 Kilometer müssen reichen

Und deshalb sind die Techniker aus Hiroshima (wie viele ihrer Kollegen anderer japanischer Marken) mit vollelektrischen Autos bislang etwas zaghaft. Ihr nett gestylter Kompakt-SUV namens MX-30 ist bislang der einzige Vollstromer der Marke. Der kommt mit seiner relativ kleinen 35,5-kWh-Batterie, die lediglich 310 Kilo wiegt, nach WLTP-Norm nur 200 Kilometer weit. Nix für die ganz großen Tempo-Touren, aber völlig ausreichend für die Stadt und ihre Umgebung. Für die Pendelei in die Firma, den täglichen Weg in die Kita oder den Wochenendtrip.

Einsame Erscheinung 
Noch ist der MX-30 das einzige Elektroauto von Mazda. Bis 2025 sollen drei weitere Stromer folgen. Foto: Mazda
Einsame Erscheinung
Noch ist der MX-30 das einzige Elektroauto von Mazda. Bis 2025 sollen drei weitere Stromer folgen. Foto: Mazda

Philosphischer Hintergrund: Mehr als doppelt so schwere Monsterakkus, wie sie etliche andere Automobilhersteller im neuen Wettrüsten um Leistung und Reichweite offerieren, hält man bei Mazda für ökologisch unsinnig, weil sie bei der Fertigung unnötig teure (und nicht ganz unproblematische) Rohstoffe verbrauchen und unnötig viel Kohlendioxid freisetzen würden. Mit grüner Grundeinstellung gesehen ein durchaus interessanter Ansatz.

Auch bei der Leistung gibt sich der Japaner mit seinen gegenläufig öffnenden Türen (praktisch, wenn hinten kleine Kids einsteigen) vergleichsweise bescheiden. Sein vorn eingebauter AC-Synchronmotor summt mit maximal 107 kW (145 PS), seine Höchstgeschwindigkeit ist, elektronisch abgeregelt, auf schlanke 140 km/h limitiert. Das muss für normale Bedürfnisse reichen, finden sie bei Mazda.

Energie wird fleißig zurückgewonnen

Tut es eigentlich auch. Außerdem fährt sich dieser auffallend perfekt verarbeitete MX-30, typisch Mazda, ziemlich easy und entspannt. Geht mit seinen kompakten Abmessungen (4,40 Meter Länge) und seiner ziemlich zackigen Lenkung erfrischend um die Ecken. Ist sogar ein Freund enger Serpentinen, wie wir in den Bergen testen konnten. Und in der City soll er dank fleißiger Energierückgewinnung per Rekuperation sogar 265 Kilometer weit kommen. Für den offiziellen Stromverbrauch nach WLTP-Norm versprechen die Japaner einen Wert von 19,0 kWh. Den konnten wir mit durchaus flotter Fahrweise (viel Landstraße, etwas Autobahn) und batteriefreundlichen Temperaturen (um die 20-Grad-Marke) mit einem Schnitt von 18,4 kWh sogar unterbieten.

Kork für die Konsole
Das Naturmaterial verbreitet eine angenehme Wärme und Haptik. Gewonnen wird es aus der Rinde portugiesischer Korkeiche.

Noch spannender ist, dass Mazda im MX-30 auf ungewöhnlich viele nachhaltige Materialien setzt, die allesamt für den ganzheitlichen Umweltansatz des Unternehmens stehen sollen. Auf luftig wirkende, aber ansonsten sehr robuste Kunststoffe aus recycelten PET-Plastikflaschen zum Beispiel, deren Anmutung laut Mazda von diesem subtilen japanischen Washi-Papier inspiriert ist. Sie finden sich in den Türverkleidungen und als Fasern in bestimmten Sitzstoffen. Sollen nicht nur strapazierfähig, sondern gleichzeitig atmungsaktiv sein.

Kork und Kunstleder

Mindestens ebenso ungewöhnlich ist die Verwendung von naturhaften Kork für die Ablagen der Mittelkonsole und etwas unauffälliger in den Hinterseiten der Türgriffe des Fahrzeugs. Sieht gut aus und verbreitet hier eine angenehme Wärme und Haptik, die locker die in der Branche sonst üblichen Holz-Intarsien übertrifft.

Interessant ist auch das speziell für den MX-30 entwickelte, bemerkenswert kuschlige vegane „Premium Vintage Kunstleder“ der Sitze. Zeigt optisch eine klassische Lederstruktur (gedruckt auf eine Kunstlederbasis) und eine hautfreundliche geschmeidige Haptik, die durch eine spezielle Silikonbeschichtung erreicht wird. Wird laut Mazda nicht mit fiesen organischen Lösungsmitteln, sondern mit Wasser hergestellt.

Und Mazda will diese Öko-Nummer noch viel weiter treiben. Geforscht wird nämlich auch an komplett nachhaltigen Alternativen fürs klassische Leder. Mit einem völlig neuen Level an Qualität und Haltbarkeit. „Leder und Leder-Alternativen stehen bei uns gerade im Focus“, verrät Sandra Höner zu Bentrup, 35, die als Senior-Designer Colour and Trim im europäischen »Research & Development«-Centre (MRE), das sich im hessischen Oberursel befindet, für ein ganzes Bündel von Themen verantwortlich ist. Reicht von den Außenfarben zukünftiger Autos bis zu sämtlichen »Touch and Feel«-Themen des Innenraumdesigns. Inklusive Sitzbezüge und so.

Spannende Zeiten für Automobildesigner
Sandra Höner zu Bentrup arbeitet im europäischen Forschungs- und Entwicklungszentrum von Mazda in Oberursel. Derzeit forscht sie intensiv an Alternativen zu Leder – auf Kork-, Kaktus- und Maisbasis. Foto: Mazda

An einem Board mit Dutzenden Materialproben und diversen Lifetsyle-Exponaten, zeigt uns die studierte Produktdesignerin, aus welchen Materialien sich alternatives Leder herstellen ließe. Und an dieser Stelle wird es wirklich verrückt und ziemlich exotisch. Höner zu Bentrup präsentiert Leder aus Kaktuspflanzen, das hier, lustige Überraschung, in Form von stabilen Boxhandschuhen zu sehen ist. Aber auch samtweiches Leder aus Pilzen oder Weintrauben. Unsere Favoriten? Das vegane Leder aus (überreifen, nicht mehr essbaren) Mangofrüchten, das ein Rotterdamer Start-Up entwickelt hat, und ein Apfel-Kork-Leder («Apvelskin«) vom Leipziger Start-Up „Take a Shot“, dessen Rohstoffe aus dem Ausschuss der Apfelverarbeitung in Südtirol stammen. Die Sachsen machen daraus zum Beispiel hautfreundliche Uhrenarmbänder. Überhaupt, so vernehmen wir, gäbe es da noch unglaubliche Möglichkeiten für nachhaltiges Leder.

Tierhäute werden zunehmend abgelehnt

„Für uns Designer ist das jetzt eine super spannende Zeit“, strahlt unsere Gesprächspartnerin. Und auch bei den Kunden gebe es ein Umdenken in Richtung Nachhaltigkeit. Tierhäute würden zunehmend abgelehnt, und viele der klassischen Materialien gäbe es ja nicht unbegrenzt. Von derem ungünstigen CO2-Fußabdruck ganz zu schweigen. Und deshalb erwähnt sie auch, dass bei Mazda auch an recyceltem Leder geforscht wird, für das neben Altleder die ledernen Schnittabfälle verwendet würden. Unter passenden Bedingungen könnten viele ursprüngliche Eigenschaften des Materials selbst bei einer zweiten und dritten Nutzung bewahrt bleiben, hören wir.

Dann muss sie aber erstmal ein bisschen bremsen. Fast alle diese Materialien befänden sich nämlich noch in der Studienphase. „Diese Stoffe tauchen nun nicht gleich in irgendwelchen Mazda-Modellen auf“. Die müssten ja ein ganzes Autoleben halten, und schließlich ginge es am Ende um gewaltige Liefermengen für eine Großserienproduktion. Einige der Leder-Alternativen, zum Beispiel das erwähnte Kaktusleder und auch Kornleder auf Maisbasis, seien jedoch schon relativ weit entwickelt, verrät sie.

„Gefühl der Bewegung“
„Kodo“ heißt seit 2014 Mazdas neue dynamische Designlinie. Emotionen weckt auch die Fahrt durch den Korkwald. Foto: Mazda

Eine ganz große Sache sind bei Mazda auch die bereits genannten Materialien aus Kork, mit denen die Japaner im MX-30 als erster Automobilhersteller in die Serienproduktion eingestiegen ist. Deshalb sind wir zu Besuch bei Corticeira Amorim, dem größten Korkverarbeiter der Welt im portugiesischen Mozelos, der seine vielen Produkte seit Jahren in mehr als hundert Ländern vertreibt.

Korkwälder binden Kohlendioxid

Kork, ein wahrer Zauberstoff. Ein natürliches, ständig nachwachsendes Produkt, das aus abgetragener Baumrinde gewonnen wird. Das vieles kann und wunderbar klimaneutral ist. Die Korkwälder Portugals zählen zu den größten Wasserspeichern des Landes, und sie binden riesige Mengen an Kohlendioxid. Es wird geschätzt, dass allein die Korkeichenwälder des Mittelmeerraumes jedes Jahr bis zu 14 Millionen Tonnen CO2 einlagern.

Okay, Werksbesichtigung. Rein in die orangefarbene Warnweste und die unförmigen Gummi-Sicherheitsschuhe. Wir sehen dann nur einen Teil der riesigen, alten Produktionshallen, in denen permanent Transportfahrzeuge mit Kork-Paketen herumwuseln. „Bleiben Sie unbedingt auf den gelb gekennzeichneten Wegen“, warnt unsere Führerin. Links und rechts gewaltige Stapel von Kork-Rohprodukten in Form von Platten, Blöcken oder riesigen Zylindern. Betagte Großmaschinen, automatisierte Taktstraßen und rustikale Korkpressen in Kombination mit digitaler Steuerungstechnik. Feiner Korkstaub überall. Dazu dieser angenehm strenge, hier geradezu überbordende typische Kork-Geruch. Und Berge von Korkabfällen, die auf ihre weitere Nutzung warten.

Offener Austausch
Mazda-Designerin Sandra Höner zu Bentrup erklärt Wolfgang Eschment am MX-30 ihre Nachhaltigkeitsstrategie. Foto: Mazda

Amorim-Chef Luis Esteves, das sieht man ihm an, ist jedenfalls sichtbar stolz auf die Entwicklung der hiesigen Korkproduktion. „Wir produzieren hier mittlerweile in vierter Generation den Kork, und die wirtschaftlichen Aussichten für unsere nachhaltigen Kork-Produkte sind wirklich glänzend.“ Amorim habe weltweit über 27.000 Kunden und für dieses naturhafte Material noch viele innovative Ideen. Nebenbei erwähnt er, interessantes Ding, dass die Deutschen die größten Abnehmer für Kork-Fußböden sind.

Mazda begann mit der Produktion mit Korkprodukten

Der Kork jedoch, der im Vollstromer MX-30 zum Einsatz kommt, ist auf trickreiche Weise besonders nachhaltig und hochwertig. Bei der Herstellung edler Flaschenkorken fallen bei Amorim unweigerlich Korkspäne und Überschuss an. Genau diese Reste verwendet Mazda. Und weil die Qualität von Kork mit dem Alter der Bäume steigt und für diese Flaschenkorken die Rinde von über 40 Jahre alten Bäumen verwendet wird, soll der Kork im E-Auto von außergewöhnlicher Qualität sein.

Zudem durchläuft er noch ein aufwendiges Verfahren, um ihm Schritt für Schritt die gewünschten optischen und taktilen Eigenschaften beizubringen. So werden zum Beispiel die Löcher im Material durch unterschiedlich großes Korkgranulat verschlossen. Eine zusätzliche Beschichtung und ein spezielles Basismaterial sollen für besondere Haltbarkeit und die Resistenz gegenüber UV-Strahlen sorgen. So, und bei dieser Gelegenheit erfahren wir hier auch, dass Mazda in seiner Gründerzeit im Jahr 1920 als Toyo Cork Kogyo Co. mal mit der Produktion von Korkprodukten begann. Ist gut hundert Jahr her, aber in Hiroshima und Oberursel nicht vergessen.

Nur 40 Prozent Elektro-Anteil bis 2030

Und der Einsatz von Kork, hier schließt sich gleich der alternative Kreis, dürfte sich bei Mazda noch ausweiten. „Denn bisher haben wir nur an der Oberfläche dessen gekratzt, was mit diesem Material alles möglich ist“, sinniert Höner zu Bentrup. So könnte man aus der Rinde der Korkeichen eben auch hübsches Sitzleder fabrizieren. Kuschlig temperierende und gleichzeitig erstaunlich strapazierfähige Sofas aus Kork gäbe es ja bereits in allen schönen Farben für unsere Wohnzimmer. Richtig, die nächste Steilvorlage für die Sitze künftiger Elektroautos.

Lange war da nichts Elektrisches in Sicht, aber noch im Herbst 2020 kommt nun auch Mazda überraschend mit einem reinen Stromer auf den Markt. Den Anfang macht der MX-30, der jetzt auf der Tokyo Motor Show seine Premiere feiert. Mit ziemlich interessanten technischen Details. Bestellbar? Sofort. Elektroauto

Also alles schick und fein? Alles so herrlich nachhaltig? Im Prinzip ja. Allerdings sollen nach offizieller Mazda-Planung bis 2030 lediglich 40 Prozent der Neufahrzeuge in Europa über einen vollelektrischen Antrieb verfügen. Und der große Rest? Verbrenner-Modelle und Hybride. Nur mal zum Vergleich: Volkswagen und Skoda rechnen bis dahin schon mit einem E-Anteil von 70 Prozent, und Renault will dann als „Schlüsselakteur auf dem Weg zur erschwinglichen Elektromobilität“ (Zitat aus Paris) schon bei 90 Prozent sein.

Drei weitere Batterieautos in Planung

Das wird trotzdem aufregend, denn hinter den Kulissen wird auch bei Mazda fieberhaft an neuen Vollstromern gearbeitet. Der MX-30 soll definitiv kein Einzelkind bleiben. Zwischen 2022 und 2025 will der japanische Automobilhersteller eine Reihe neuer Modelle auf Basis seiner »Skyactiv Multi-Solution Scalable Architecture« einführen. Und dazu gehören neben diversen Hybridmodellen auch drei batterieelektrische Autos. Wir rechnen schon mal fest mit zwei modischen Crossover-Modellen (genau, dieser Mix aus SUV und Coupé) oberhalb und unterhalb des MX-30.

Zudem entwickelt Mazda eine spezielle Plattform für Elektrofahrzeuge («Skyactiv EV Scalable Architecture«). Als Basis für weitere Elektroautos in verschiedenen Größen und Karosserieformen, die dann zwischen 2025 und 2030 auch bei uns anrollen sollen. Und für etliche Bausteine gibt es dazu weiterhin die Kooperation mit dem japanischen Branchenriesen Toyota, der nach jahrelanger Hybrid-Strategie nun ebenfalls schrittweise auf den reinen Elektropfad einbiegt. Wobei Mazda die neuen E-Plattformen jedoch selbst entwickle, betonen die Manager aus Hiroshima.

Das Ganze sieht dann doch nach einer ernsthaft forcierten Strategie aus. Insofern wetten wir, dass die feine japanische Marke demnächst ihre Elektroziele unauffällig nach oben verschiebt. Das dürfte dann rundum interessant werden, denn beim fein harmonierenden Part Nachhaltigkeit liegt Mazda ohnehin gut im Rennen, wie wir ja gerade bei Kork und Co. erfahren haben.

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2 Kommentare

  1. Hiker

    Tja, auf FCEV können Sie vermutlich noch lange warten. Diese Technik eignet sich nun mal nicht für den gewöhnlichen PKW. Gäbe es genügend Ökostrom wäre das sogar eine mögliche Alternative. Aber schon bei diesem Aspekt hapert es gewaltig. Dazu ist es wohl vollkommen idiotisch in zwei teure Infrastrukturen zu investieren. Zumal es bereits Ladestationen in ganz Europa zuhauf gibt und laufend neue dazukommen. Bei H2 Tankstellen sieht es dagegen düster aus. Das wird sich auch nicht so schnell ändern.

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  2. rabo

    Brav, brav, brav…
    Endlich mal ein elektrischer Nicht-SUV, der nicht mit unsinnigen Daten wie 2 sec von 0 auf 100 kmh oder 320 kmh Spitzengeschwindigkeit oder schwersten Akkus für 1000 km Reichweite punkten muss….und für die Langstrecke und Reise wird es neben dem Mirai künftig auch noch andere FCEV geben. Ich bin dabei!

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