„This is not a car“ poppt als erstes auf, wenn man die Website von Microlino anklickt. Tatsächlich ist das charmante Retro-Wägelchen kein Auto im klassischen Sinne, sondern als Leichtfahrzeug der Klasse L7e eingestuft, genauso wie ein Quad. Und ein Elektroauto ist der Microlino schon gar nicht. Denn die sind in der Regel groß, kutschieren tonnenschwere Akkus herum und kosten ein Vermögen. Dieses Wägelchen hingegen bringt auf nur 2,50 Metern Länge und 1,47 Metern Breite zwei Erwachsene unter. Sowie im 250 Liter fassenden Laderaum drei Bierkisten. Und es passt auch noch quer in kleinste Parklücken.
Das kommt Ihnen bekannt vor? Klar, die gleichen Tugenden zeichneten den kleinen Elektro-Smart ForTwo bereits vor zehn Jahren aus. Doch der war seiner Zeit voraus und ist jetzt ein Auslaufmodell. Der Nachfolger kommt als fetter SUV daher.
Gerade jetzt schlage die Stunde der Mikromobile, glauben hingegen die Junior-Chefs der Microlino AG aus dem schweizer Küsnacht, Merlin und Wim Ouboter. Sie müssen es wissen: Ihr Vater revolutionierte 1997 mit einem klappbaren Tretroller Micro die City-Mobilität. Auf dessen Spuren soll nun das wendige Minicar nach mehrjähriger Entwicklungsarbeit und auch juristischen Auseinandersetzungen mit dem ursprünglich geplanten Auftragsfertiger die urbanen Räume erobern. Mit einem einfachen Konzept: Es gibt drei Batterie-Settings mit 5, 10,5 und 14 kWh für Reichweiten zwischen 95 und 230 Kilometern, die sich alle an einer normalen Haushaltssteckdose mit 1,35 bzw. 2,6 kW in drei bis vier Stunden aufladen lassen. Ansonsten gibt es wenig Wahlmöglichkeiten. Außer bunten Farben und einen hübschen Innenraum mit Sitzbezügen aus veganem Material oder Wildleder. Das Ganze zu Preisen ab 16.790 Euro.
Quer parken? Geht wunderbar
Von außen sieht der nun in Turin gefertigte Microlino aus wie der legendäre Kabinenroller BMW Isetta aus den 1950ern, hat die gleichen runden, seitlich unter den Fenstern aufgesetzten Scheinwerfer. Zusammen mit der LED-Leuchtleiste geben sie dem Winzling ein sympathisch freundliches Gesicht. Und wie die selige Isetta eine nach vorne aufklappenden Tür.
Nur, wie geht die auf? „Hier auf den Knopf unterm rechten Scheinwerfer drücken“, erklärt Merlin Ouboter, und schon schwingt die Front nach oben. Praktisch, denn der Cityflitzer darf quer zur Fahrbahn parken. So kann man gefahrlos vom Gehsteig aus einsteigen. Wenn man erst einmal den Dreh raushat. Ein Microlino-Mitarbeiter zeigt, wie’s geht: Mit einem Schritt vorwärts in die Kabine treten, dort auf der Stelle drehen und sich dann nach hinten auf die Sitzbank plumpsen lassen.
Anders als in der Isetta bleibt das Lenkrad bei geöffneter Tür am Platz, und auch alles, was sonst so im Cockpit untergebracht ist. Viel ist das nicht, der Verzicht auf unnötigen Schnickschnack gehört zum Konzept. Ein kleines digitales Display für die wichtigsten Fahrinfos, ein Mini-Display mit verschiebbaren Icons, über die sich Gebläse, Heizung oder Innenraumbeleuchtung regeln lassen, vier USB-Buchsen und ein paar Ablagen. Alles selbst erklärend. Einmal an der Schlaufe innen an der Tür gezogen, schon fällt sie sanft ins Schloss. Jetzt noch das Faltdach aufgeschoben, dann kann’s losgehen.
Surren? Von wegen, hier jault der Motor
Einmal den dicken Knopf auf D gedreht, und es passiert – nichts! Schlüsselloses Fahren gibt’s bei teuren E-Autos, hier will der Schlüssel noch ins Schloss gesteckt werden. Jetzt aber: Ruckfrei surrt der Wagen los. Wobei surren eigentlich nicht passt. Was sich hier hinter der Bank tut, hört sich an wie eine Mischung aus Akkuschrauber und Straßenbahn und steigert sich ab Tempo 60 zu einem unangenehmen Jaulen. Leichtfahrzeuge, so erklärt ein Microlino-Techniker, dürfen ohne Sonderausstattung und Batterie maximal 450 Kilo wiegen. Da käme es auf jedes Gramm an, auch bei Dämmung des Motors.
Na gut, in der Stadt ist man ja sowieso eher langsam unterwegs. Gut so, dann wird den Passanten gleich etwas geboten. Die bekommen jedenfalls lange Hälse, wenn die Knutschkugel vorbeirollt. Für den Cityverkehr jedenfalls genügt der 12,5 kW (17 PS) starke Heckmotor mit maximal 89 Newtonmeter Drehmoment. Er schiebt den Microlino gemächlich an, während die Federung manierlich die Straßenschäden glattbügelt. An der ersten Ampel bringt der Wagen den Fahrer aber kurz ins Schwitzen. Die Bremsen verlangen nach einem gehörigen Tritt aufs Pedal – sonst passiert wenig. Airbags, ESP? Fehlanzeige. Mikromobile dürfen darauf verzichten.
Trotzdem sei das Sicherheitsniveau hoch, verspricht Wim Ouboter. Der Microlino sei das erste Fahrzeug seiner Art mit einer selbsttragenden Karosserie, die eine höhere Crashsicherheit habe als die sonst üblichen Gitterrahmen. Und die Einzelradaufhängung lasse ihn so sicher ums Eck flitzen, dass selbst der berüchtigte Elch-Ausweichtest kein Problem darstelle.
Freie Fahrt auf der Bundesstraße
Wir glauben das mal und hoffen das Beste, schließlich ist der Microlino bis zu 90 km/h schnell. Anders als beispielsweise der genauso kleine Opel Rocks-e, der nur ein Mopedkennzeichen trägt und dem die Berliner Avus ebenso wie Münchner Ring verwehrt ist, darf der Microlino auch über Bundesstraßen flitzen.
Aber ob das für einen Verkaufserfolg genügt? Zweifelhaft. Während E-Autos mit 6.750 Euro bezuschusst werden, gehen elektrische Leichtfahrzeuge bislang leer aus. Somit tritt der Microlino, der zum Start erstmal in der limitierten Pioneer-Version mit mittlerer Batterie und Sonnendach für 22.690 Euro angeboten wird, preislich gegen vollwertige E-Autos an. Der chinesische MG4 kostet nach Abzug der Prämie rund 24.000 Euro, der Fiat 500 e sogar ein paar Euro weniger. Beide sind deutlich größer und taugen auch für den Transport von vier Personen samt Gepäck.
Noch krasser wird der Unterschied bei kleinen Flitzern wie dem Dacia Spring und dem noch immer bestellbaren Smart Fortwo, die nach Abzug der Prämie auf rund 14.000 Euro kommen. Solange die Politik in Deutschland also den für die innerstädtische Mobilität so sinnvollen elektrischen Mikromobile die Förderung verweigert, werden sie hierzulande wenig Chancen haben. Das ist wohl die Crux, wenn man kein echtes Auto ist.