Für Fabian Ziegler geht es beim Klimaschutz ums eigene Portemonnaie. Ein Teil seines Gehaltes hängt davon ab, wie schnell er die CO2-Emissionen von Shell in Deutschland senkt. Denn der niederländisch-britische Konzern hat sich darauf verpflichtet, zum Klimaschutz beizutragen und den Ausstoß an Treibhausgasen bis 2050 um die Hälfte zu senken. Damit sich die Top-Führungskräfte des Energieriesen auch tatsächlich für diese Vorgaben engagieren, ist ihre Vergütung an das Erreichen dieses Ziels gekoppelt.

Insofern überrascht es nicht, wenn der neue Vorsitzende der Geschäftsführung der Shell Deutschland – er ist seit Januar im Amt – als eine seiner ersten Amtshandlungen die Klimaschutz-Initiativen des Unternehmens vorstellt. Dabei geht es um „die Emissionen aus unseren eigenen Betrieben, die Emissionen unserer Energieversorger und auch um die Emissionen der Kunden, wenn sie unsere Produkte verwenden“, erklärte Ziegler jetzt auf einer Veranstaltung im Hamburger Technology Center des Konzerns.

In allen drei Bereichen präsentierten er und sein Kollege Jan Christian Toschka, Chef des Tankstellengeschäfts von Shell in Deutschland, Österreich und Schweiz, konkrete Projekte. Eines richtet sich an eine besonders große Zahl von Konsumenten: Ab Anfang April können die Kunden an den Spritstationen des Konzerns die CO2-Emissionen ausgleichen lassen, die beim Verbrennen von Benzin oder Diesel in ihren Autos entstehen. Dafür zahlen sie einen Aufschlag von 1,1 Cent pro Liter. Im Gegenzug gleicht Shell den Kohlendioxid-Ausstoß durch Produktion und Transport der Treibstoffe aus.

Klimaschutz als Zielvorgabe
Seit Anfang Januar leitet der gebürtige Schweizer Fabian Ziegler das Deutschlandgeschäft von Shell. Er ist seit 24 Jahren in dem Energiekonzern tätig, zuvor war der promovierte Wirtschaftswissenschaftler Unternehmensberater.
Foto: Shell

Der Konzern hat mit ähnlichen Angeboten in den Niederlanden, Großbritannien und für Geschäftskunden in Deutschland gute Erfahrungen gemacht und rollt sie jetzt flächendeckend für Endverbraucher im deutschsprachigen Raum aus. „99 Prozent der Fahrzeuge in Deutschland sind Verbrenner, auch deren Besitzern wollen wir ein Angebot machen“, begründet Toschka das Vorhaben. Die Einnahmen aus dem Klima-Cent wandern ohne Abzüge in Projekte in Peru und Indonesien. Mit dem Geld werden dort Wälder gepflanzt oder alternative Einkommensquellen für die Menschen entwickelt, damit sie nicht länger durch Rodungen oder andere Naturzerstörungen ihren Lebensunterhalt sichern müssen.

Die Shell-Leute wollten zwar keine Angaben zu ihren Erwartungen machen, wie viele Tonnen CO2 sie erwarten auszugleichen. Aber es sei möglich, mithilfe der beiden Vorhaben in Südamerika und Asien die Tankfüllungen von bis zu sieben Millionen Kunden pro Jahr auszugleichen. Wäre die Nachfrage größer, würden weitere Initiativen hinzugenommen, hieß es. Shell hat mittlerweile einen eigenen Geschäftsbereich für derartige Kompensations-Angebote geschaffen.

Mehr Ladesäulen an den Stationen

Mit Moped-Führerschein: Frankreichs neuer Elektrozwerg, der unsere großstädtische Mobilität entspannen soll. Er ist ein wenig gewöhnungsbedürftig. Aber so was von cool. Elektroauto

An den Tankstellen wird sich in diesem Jahr noch mehr tun. Neben den bereits geplanten 50 Schnellladesäulen mit 150 Kilowatt (kW) Leistung, die Shell gemeinsam mit dem Energieversorger EnBW errichtet, werden weitere 50 bis 60 Säulen bis Ende des Jahres folgen. „Wegen der positiven Resonanz im Markt“, erklärt Manager Toschka. Vermutlich aber auch um das eigene Engagement gegenüber der Berliner Politik zu signalisieren. Denn die Große Koalition plant, alle Tankstellen zu verpflichten, Lademöglichkeiten anzubieten. So hat auch der französische Wettbewerber Total gerade angekündigt, an 70 Stationen Stromzapfer aufzustellen – allerdings erst bis 2022.

Shell wird bei der zweiten Ausbauwelle seiner Ladesäulen sogar Leistungen von bis zu 175 kW ermöglichen. Und installiert diese nun in Eigenregie ohne EnBW als Partner. Entlang der Autobahnen kooperiert der Konzern wiederum mit Ionity. Das Joint-Venture der Autohersteller – gerade umstritten wegen seiner Preispolitik – installiert europaweit bis Ende des Jahres an den 80 größten Shell-Stationen ultraschnelle Säulen mit sogar 350 kW Power.

Produktion von grünem Wasserstoff im großen Stil

Und die Vielfalt der Energieträger an den Tankstellen wächst noch weiter. Denn Shell errichtet weitere zehn Wasserstoff-Stationen, damit steigt deren Zahl auf 40. Bundesweit bietet das Joint-Venture H2Mobility, an dem neben dem Energiekonzern etwa auch die Gasehersteller wie Air Liquide und Linde sowie Autohersteller wie Daimler beteiligt sind, demnächst landesweit insgesamt 120 Möglichkeiten für Brennstoffzellenautos an, das Gas zu tanken.

Um die Synthese der winzigen Moleküle kümmert sich Shell ebenfalls. Heute wird Wasserstoff meist wenig klimafreundlich aus Erdgas gewonnen. Um das zu ändern, investiert der Konzern in einen großen Elektrolyseur, der Wasser mit Hilfe von Strom in seine Elemente Wasserstoff und Sauerstoff zerlegt. Er setzt dabei auf Polymer-Elektrolyt-Membranen, die auch in den Brennstoffzellen im Auto stecken. Die Anlage namens Refhyne errichtet Shell in der Rheinland-Raffinerie am Rand von Köln, die mit einer Jahresleistung von 10 Megawatt die weltweit größte ihrer Art sein wird.

E-Farm von GPJoule in Ostfriesland Statt den Windstrom nach Bayern weiterzuleiten, wandeln Landwirte in Nordfriesland ihn lieber im Windpark in Flüssig-Wasserstoff um und nutzen diesen als Treibstoff für ihre Autos und Busse. Energiewende

Nutzt dann Shell für die Herstellung des Wasserstoffs Ökostrom, wäre der tatsächlich grün. Er soll dann aber nicht Autos antreiben, sondern „konventionelle Treibstoffe veredeln“, wie es Deutschland-Chef Ziegler nennt, sprich Erdölbestandteile so chemisch verändern, dass sie etwa zu Benzin oder Diesel werden.

Diese klassischen Treibstoffe lassen sich theoretisch auch aus Kohlendioxid und viel Ökostrom herstellen – und wären dann sogar klimaneutral. Der Vorteil: Die bestehende Infrastruktur mit Tankstellen und Verbrenner-Autos ließe sich weiter nutzen. Doch Ziegler verschwieg auch nicht den Nachteil dieser Power-To-Liquids, Synfuel oder Sunfuel genannten Technologie: „Ihre Herstellung erfolgt über mehrere Produktionsschritte und dabei geht ein hoher Anteil der ursprünglichen elektrischen Energiemenge verloren.“ In Summe ergäben sich so niedrige Gesamtwirkungsgrade bei vergleichsweise hohen Kosten.

Flüssiges Erdgas macht Sattelschlepper sauberer

Auch wenn gerade in der Schweiz ein Großversuch mit 1000 Brennstoffzellen-Lkws anläuft, so sind Wasserstoff-Nutzfahrzeuge derzeit noch Exoten. Eine schneller einsetzbare Alternative zum klassischen, dieselnden Lastwagen sind Fahrzeuge, die verflüssigtes Erdgas (LNG genannt) verbrennen. Sie verursachen nach Shell-Angaben vom Bohrloch bis zum Lkw rund ein Fünftel weniger Treibhausgase als der klassische Selbstzünder und sind zudem noch leiser. IVECO, Scania und Volvo bieten bereits heute entsprechende Fahrzeuge an, die mit einer Tankfüllung über 1000 Kilometer weit kommen.

Shell baut sein Tankstellennetz für LNG in den kommenden Jahren auf 35 bis 40 Stationen aus. Und steigt auch in die Produktion klimaneutralen Flüssigerdgases ein. Dazu nutzt das Unternehmen Bioerdgas, dass sich mit Hilfe von Mikroorganismen aus Gülle, Abfällen und landwirtschaftlichen Rückständen gewinnen lässt. Das es dann künftig mit einer eigenen Anlage in großem Stil verflüssigen will. Tankstellen-Boss Toschka hält es so für möglich, im Güterverkehr auf der Straße eine Millionen Tonnen CO2 pro Jahr zu vermeiden. Nebenbei macht sich Deutschland so ein Stück weit unabhängiger von Erdgas-Importen beispielsweise aus Russland (per Pipeline) oder Qatar (als LNG). Und das flüssige Methan hat auch großes Potenzial in der Schifffahrt, um dort Schweröl an Treibstoff zu ersetzen.

Konsequenterweise will auch Deutschland-Chef Ziegler den eigenen Shell-Fuhrpark und die Tank-Lkw seiner Spediteure auf „CO2-neutrale Antriebsvarianten wie etwa Bio-LNG“ umstellen, erklärte er in Hamburg. Auch eine Maßnahme, seine eigenen Zielvorgaben in Sachen Klimaschutz einzuhalten – und den Gehaltsbonus zu sichern.

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