Ein Lichtjahr bezeichnet die Strecke, die das Licht im All in einem Jahr zurücklegt. Das sind so ziemlich genau 9,5 Billionen Kilometer. So groß ist die Reichweite des Lightyear One natürlich nicht. Das Solar-Elektroauto aus den Niederlanden kommt mit einer Füllung seines Akkus im Schnitt etwa 725 Kilometer weit. Unter sonnenbeschienenem Himmel und im Stadtverkehr könnten es vielleicht sogar 800 Kilometer werden. Und das ist schon erstaunlich genug: An Bord hat das Elektroauto nämlich nur einen Lithium-Ionen-Akku, der maximal 60 Kilowattstunden (kWh) Strom speichern kann. Ein VW ID.3 mit vergleichbarer Batteriekapazität muss selbst unter idealen Bedingungen schon nach etwas mehr als 400 Kilometern eine Ladesäule ansteuern.

Dass der 5,05 Meter lange und nur 1,40 Meter hohe Lightyear One so viel weiter kommt, hat verschiedene Gründe. Zum einen ist der Fünfsitzer von den (flämischen) Designern des Granstudios Turin sehr windschnittig gestylt worden. Der cw-Wert soll 0,20 betragen – er wäre damit so gering wie beim neuen Mercedes-Benz EQS. Und auch das Antrieb spielt natürlich eine Rolle: Die vier unabhängig von einander arbeitenden Elektromotoren des allradgetriebenen Lightyear One sitzen in den Radnaben und können, wie Co-Gründer und CEO Lex Hoefloot im Gespräch mit EDISON darlegt, dadurch sehr effizient arbeiten: Für den Vortrieb reichen gerade einmal 83 Wattstunden pro Kilometer. „Damit sind wir etwa dreimal so effizient wie Autos mit einem herkömmlichen Elektroantrieb.“

Leichtlaufreifen Turanza Eco der besonderen Art
Für den Lightyear One mit seinen vier Radnabenmotoren hat Bridgestone einen besonders leichten und schlanken Reifen entwickelt, der mit hohen Luftdrücken gefahren werden kann. Der Reifen bietet auch aerodynamische Vorteile – ohne dass der Grip leidet. Foto: Bridgestone

Und das ist nicht das einzige Alleinstellungsmerkmal. Zur großen Reichweite der Elektroflunder tragen auch rund 1000 hocheffiziente Solarzellen bei, die fünf Quadratmeter der Karosserie bedecken – nur die Scheiben bleiben frei. Zum Vergleich: Der ebenfalls solarbetriebene Kleinwagen Sion von Sono Motors aus München mit einer Reichweite von rund 255 Kilometern nutzt 128 Solarzellen, die sich auf rund sechs Quadratmeter Fläche verteilen. Mit 1400 Kilogramm ist der Sion allerdings auch rund 100 Kilogramm schwerer als der Lightyear One. Und bei weitem nicht so windschnittig.

Dreimaliger Sieger der Solar-Challenge

Und im Unterschied zu Sono Motors haben die Niederländer aus Eindhoven, die in die Entwicklung ihres Sonnenwagens unter anderem die Erfahrungen aus drei siegreichen Teilnahmen an der World Solar Challenge in Australien einbrachten, auch starke Industriepartner an Bord. Die EDAG Engineering Group half bei der Konzeption des Fahrzeugs. Und nun kommt mit Bridgestone auch noch ein Partner aus der Reifenindustrie dazu, der dem Solarauto auf den letzten Kilometern bis zum Produktionsstart am Jahresende noch Beine machen soll – mit maßgeschneiderten Reifen vom Typ Turanza Eco mit sehr geringem Gewicht und Rollwiderstand.

Emilio Tiberio, der motorsporterfahrene Technikchef von Bridgestone in Europa, kennt das Lightyear-Team schon eine ganze Weile, unter anderem durch die von Bridgestone gesponserte Solarauto-Rallye durch Australien. „Als sie begonnen haben, mit ihren Rennerfahrungen ein Serienauto zu entwickeln, haben wir uns gesagt: Da sollten wir dabei sein“, schildert Tiberio im Gespräch mit EDISON die Hintergründe der Kooperation, die jetzt (22. April) offiziell bekannt gegeben wurde. Der Lightyear One sei ein innovatives Produkt, „es ist Spitzentechnologie und eine nachhaltige obendrein“ – für Bridgestone gebe es da viele Anknüpfungspunkte.

Maßgeschneiderte Reifen von Bridgestone

In den maßgeschneiderten Reifen für den Lightyear One haben die Bridgestone-Ingenieure ihre neuesten Technologien reingepackt. Zum einen das so genannte ologic-Verfahren. Dieses erlaubt es, besonders große und schmale Reifen zu produzieren, die aerodynamisch günstig sind, hohe Luftdrücke erlauben und auch dadurch einen sehr geringen Rollwiderstand bieten. Beim BMW i3 wurde die Technologie erstmals angewandt und seitdem von Bridgestone weiter entwickelt.

Windschnittiges Design flämischer Art
Der fünf Meter lange Lightyear One ist aerodynamisch optimiert. Die hinteren Radkästen sind abgedeckt, die Reifen schmal. Das Ergebnis ist ein cw-Wert von 0,20. Foto: Lightyear

Zudem werden die Reifen des Lightyear One dank der so genannten Enliten-Technologie von Bridgestone sehr leicht sein. „Je schwerer ein Reifen ist, desto energie muss der Antrieb aufwenden, um das Fahrzeug in Bewegung zu bringen“, erläutert Tiberio den Gewichtsvorteil. Durch eine neue Generation von Materialien – in der Karkasse, im Gürtel und beim Gummi – habe man das Gewicht des Reifens im Vergleich zu handelsüblicher Produkten nochmals um 10 Prozent senken können – „ohne dass die Performance und die Sicherheit leidet.“

Geringes Gewicht erlaubt kleinen Akku

Um die sechs Kilogramm ist allein durch die Reifen am Fahrzeuggewicht von rund 1.300 Kilogramm eingespart worden. Schon die Maßnahme bringt das Auto um 28 Kilometer weiter. Tiberio: „Das erlaubt es Lightyear auch, die Batterie des Autos kleiner zu dimensionieren“ – und dadurch noch einmal 90 Kilogramm einzusparen. Die Reifentechnik von Bridgestone soll später auch Elektroautos anderer Hersteller helfen, die Reichweite zu vergrößern. Allerdings, so Tiberio, „nicht in so extremer Form.“

Aber jetzt gilt es erst einmal, den Lightyear One an den Start zu bringen. Die Corona-Pandemie hat zwar auch dieses Projekt etwas verzögert. Aber wie Lex Hoefsloot versichert, soll das erste Solar-Auto zum Jahresende ausgeliefert werden. Nach seinen Angaben liegen aus ganz Europa bereits 125 Vorbestellungen vor – trotz eines ambitionierten Verkaufspreises von 150.000 Euro.

Für das gleiche Geld könnte man auch ein Model S von Tesla in der Topausführung Plaid plus (mit bis zu 830 Kilometer Reichweite) ordern – oder den neun Mercedes EQS (der bis zu 770 Kilometer weit elektrisch fährt). Hoefsloot lässt sich durch das Argument nicht irritieren: „Unser Auto ist einzigartig. Bei einigen Kunden werden überhaupt keine Stromkosten anfallen, weil sie über die Solarzellen mehr Energie gewinnen als sie im Alltagsverkehr verbrauchen.“

Blick in den Innenraum des Prototyps
Der Lightyear One kommt wie das Tesla Model S mit einem Zentralbildschirm und einem Info-Display für den Fahrer aus. Das Lenkrad ist immerhin noch rund. Foto: Lightyear

Vorausgesetzt, die Sonne scheint – und der Fahrer des fünfsitzigen Lightyear One begibt sich mit dem Fahrzeug nicht auf eine Fernfahrt in eine Region, wo der Himmel selbst im Sommer gerne mit Wolken verhangen ist.

Für die zweite Hälfte des Jahrzehnts, kündigt der Lightyear-Chef zum Abschied noch an, werde es auch ein erschwinglicheres und kleineres Solarauto aus Eindhoven geben – „die Solar- und Batteriezellen werden immer besser und preiswerter.“ Und ja, Lightyear wäre auch bereit, seine Technologien mit anderen Autoherstellern zu teilen: „Wir sind offen für Kooperationen.“

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2 Kommentare

  1. Der Diktator

    Interessant, aber für 150k€ kaufe ich mir lieber ein normales E-Auto und eine Menge Solarzellen fürs Haus/Garage/Garten

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    • Christoph Zehnder

      .Habe gerade 6 Stück Plug und Play im Garten aufgestellt.Die sollten uns nochmals 2000 kw im Jahr bringen.Und ich muss ein weniger rasenmähen.

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