Zehn Jahre ist es her, dass Ford in Europa sein erstes Elektroauto auf den Markt brachte. Der Focus Electric war hierzulande als Antwort auf den VW e-Golf und den Nissan Leaf gedacht, erreichte aber niemals deren Popularität und Stückzahlen. Nicht nur, weil Lenkung und Fahrstabilität eine ganze Klasse unter dem bekannten Focus-Niveau lagen, wie der ADAC notierte. Sondern auch, weil das Preis-/Leistungsverhältnis einfach zu schlecht war.
Für den Grundpreis von rund 35.000 Euro gab es ein Elektroauto, das mit einer Ladung seines zunächst nur 23 kWh fassenden Akkus gerade einmal 120 Kilometer weit kam – und dann sieben Stunde brauchte, um den Stromspeicher wieder aufzufüllen. „Nur Idealisten werden zu diesem immens teuren Technologieträger greifen“, prognostizierte der Automobilclub 2013 nach einem Test des kompakten Stromers.
Neustart nach sechs Jahren
Tatsächlich floppte das Modell gewaltig. Auch der Einbau eines größeren Akkus mit einer Speicherkapazität von 33,5 kWh für Reichweiten um die 160 Kilometer änderte daran nichts mehr: 2017 wurde die Produktion des Modells in Saarlouis nach einigen hundert Einheiten (genaue Zahlen hat Ford wohl aus Scham nie kommuniziert) eingestellt. „Die Volumina sind nicht stark genug. Wir werden das Thema wieder aufgreifen, wenn der Markt dafür reif ist“, sagte Graham Hoare, der damals für die „Business Transformation“ verantwortliche Ford-Manager.
Der Zeitpunkt ist nun gekommen – sechs Jahre später und mit einigen Verzögerungen. In Köln präsentierte Ford jetzt mit dem Explorer sein erstes vollelektrisches Volumenmodell, das am Traditionsstandort am Rhein ab Sommer vom Band laufen wird. Bis 2026 will das Unternehmen rund 600.000 Einheiten des Explorer jährlich in Europa verkaufen, neben dem neuen Elektro-SUV noch eine sportliche Stufenheck-Limousine a la Polestar 2 in gleicher Stückzahl. Und natürlich auch weiterhin den aus Mexiko importierten Ford Mustang Mach-E und den Kastenwagen E-Tourneo Custom aus dem türkischen Ford Otosan-Werk.
Explorer mit „Lust am Abenteuer“
Und nach den ersten Eindrücken scheinen die Voraussetzungen gut, dass vom neue E-Explorer tatsächlich deutlich größere Stückzahlen abgesetzt werden können als seinerzeit vom E-Focus. Das Designteam um den 52-jährigen Murat Güler hat unter dem Motto „Lust am Abenteuer“ ein sehr ansehnliches und mit zahlreichen pfiffigen Features gespicktes Kompakt-SUV von 4,45 Metern Länge und 1,60 Metern Höhe auf die Räder gestellt, das auch mit Verkaufspreisen ab 45.000 Euro großen Anklang finden dürfte. Zum Vergleich: Der Mustang Mach-E ist 4,71 Meter lang, 1,62 Meter hoch – und kostet in der Basisversion mit 75,7-kWh-Akku wenigstens 62.900 Euro.
Angeboten wird der Explorer in zwei Ausstattungsversionen und mit drei Antrieben. Als Hecktriebler mit 125 (170 PS) und 210 kW (286 PS) Leistung. Und in der Topversion mit Allradantrieb und einer Systemleistung von 250 kW oder 340 PS.
MEB-Plattform von Volkswagen
Die flüssigkeitsgekühlte Batterie im Fahrzeugboden fasst dem Vernehmen nach netto 77 kWh Strom und soll an einer Schnellladesäule mit bis zu 170 kW geladen werden können. Für Reichweiten um die 500 Kilometer, heißt es. Genaue Werte will Ford erst nach der Homologation des Elektroautos bekannt geben. Fest steht derzeit lediglich die maximale Ladeleistung an der Wallbox: 11 Kilowatt.
Die Leistungsdaten dürften dem einen oder anderen bekannt vorkommen. Und wer zum Vergleich die des VW ID.4 googelt, ist auf der richtigen Spur. Ja, für den Neustart ins Zeitalter der Elektromobilität brauchte Ford in Europa Entwicklungshilfe von Volkswagen. Im Paket mit einer engeren Zusammenarbeit im Transportersektor und beim Autonomen Fahren hatte Wolfsburg für Ford den Modularen Elektro-Baukasten (MEB) geöffnet, den unter anderem die VW-Modelle ID.3, ID.4 und ID.Buzz, aber auch die Schwestermarken Skoda (Enyaq) und Audi (Q4 e-tron) nutzen. Ford sparte sich so Entwicklungskosten, Volkswagen erzielte Skaleneffekte und spart so beim Einkauf der Komponenten.
Smarte Lösungen für den Innenraum
Und so nutzt nun Ford für seinen Elektro-Explorer die Plattform samt Akkus und Elektromotoren von Volkswagen. Gegen Lizenzgebühren und laut Liefervertrag über sechs Jahre und für ein Volumen von 1,2 Millionen Fahrzeuge. Kein Wunder also, dass viele Ingenieure im europäischen „John-Andrews-Entwicklungszentrum“ in Köln-Merkenich jetzt um ihre Jobs bangen. Denn ihnen blieb bei der Entwicklung des Explorer nur, das Fahrwerk und die Lenkung Ford-typisch abzustimmen.
Zudem haben sie sich gemeinsam mit den Designern für den Aufbau ein paar nette Features einfallen lassen. Wie beispielsweise den in der Neigung verstellbaren Touchscreen von 14,6 Zoll Größe in der Mittelkonsole. Und einen „Private Locker“ genannten Stauraum dahinter, der sich automatisch verschließt und Wertgegenstände sicher aufbewahrt, wenn das Auto verlassen wird. Sowie eine 17 Liter fassende, individuell einteilbare „Mega Konsole“ zwischen den Vordersitzen, in der sich auch ein Laptop verstauen lässt. Oder eine dezent beleuchtete „Soundbar“, die über dem Armaturenträger schwebt und für voluminösen Klang sorgen soll.
Auch haben die Ford-Manager den Oberflächen ein edleres Finish gegeben und sie zum Teil auch hinterschäumt – auch aus den Fehlern von Volkswagen haben sie in Köln gelernt. „Der neue Ford nutzt die Vorteile seiner vollelektrischen Architektur bestmöglich aus“, heißt es dazu blumig im Pressetext. Der Name des Kooperationspartners kommt darin übrigens kein einziges Mal vor. Wie es inzwischen heißt, soll sich die Kooperation beider Unternehmen in Zukunft auch nur noch auf Transporter beschränken. Den Roboterauto-Hersteller Argo AI haben die beiden Partner bereits aufgegeben. Und für die geplanten weiteren Elektroautos, verriet kürzlich Ford-Geschäftsführer Martin Sander in einem Interview, will Ford eine eigene Konzernplattform nutzen, die derzeit entwickelt wird. In Dearborn, Michigan.