Selten ist ein Elektroauto auf den Markt gekommen, das mit so vielen Vorschusslorbeeren bedacht wurde wie der Ioniq 5. Mit einer hohen Ladegeschwindigkeit, vielen Assistenzsystemen und großzügigem Innenraum greift Hyundai sogar die elektrische Oberklasse an. Doch im Praxistest zeigt sich, dass das koreanische Unternehmen an einigen Stellen noch nicht mit der Konkurrenz von Tesla, Mercedes oder aus dem VW-Konzern mithalten kann. Und dass man aufgrund der Vielzahl an Schaltern und Funktionen leicht den Überblick verlieren kann.

Der Ioniq 5 ist nach dem Ioniq Elektro und dem Kona Elektro der dritte vollelektrische Pkw von Hyundai. Anders als die Vorgängermodelle basiert er wie der nagelneu Kia EV6 auf der eigenständigen Elektroplattform E-GMP. Das 800-Volt-System des Fahrzeugs, das mit Unerstützung des Porsche-Partners Rimac entwickelt wurde, ermöglicht laut Hyundai Ladeleistungen von bis zu 220 Kilowatt (kW). Um es vorwegzunehmen: Diese Leistung wurde in unserem Test nicht annähernd erreicht.

Kantiges Design im Pixel-Look

Mit einer Kapazität von bis zu 72,6 Kilowattstunden (kWh) ist der Akku im Vergleich zu dem des VW ID.4 oder dem des Tesla Model Y (beide 77 kWh) etwas kleiner, sogar gegenüber dem Schwestermodell Kia EV6 (77,4 kWh), jedoch größer als beim Mercedes EQB (66,5 kWh). Damit soll der Ioniq 5 in der Allradversion und mit 19-Zoll-Felgen nach der Verbrauchsnorm WLTP im Schnitt bis zu 460 km weit kommen. Die Version mit Heckantrieb soll es mit einer Akkuladung sogar bis zu 481 km weit schaffen.

Der Ioniq 5 hebt sich mit seinem kantigen Äußeren stark von der Konkurrenz ab, die derzeit vor allem auf stromlinienförmige SUVs und Crossover-SUVs setzt. Schräge Linien, etwa der auffällige Knick in den Türen, oder quadratische Elemente wie die Scheinwerfer und das Pixeldesign der Heckleuchten bestimmen das Aussehen. Beinahe wirkt es so, als habe sich Hyundai nicht nur von seinem Modell Pony aus den 1970er Jahren inspirieren lassen, sondern auch von Teslas futuristischem Cybertruck.

Viele Hebel, Tasten und Schalter

Im Fahrzeuginnern geht es hingegen deutlich konventioneller zu. Der Ioniq 5 ist bei den Bedienungselementen praktisch der Gegenentwurf zu Teslas Model 3 oder Model Y. Wie viele Konkurrenzmodelle hat der Ioniq 5 zwei miteinander verbundene Displays hinter dem Lenkrad und über der Mittelkonsole. Während Tesla und auch BMW beim neuen iX die Anzahl von Schaltern und Hebeln möglichst reduzieren, weiß der Fahrer beim Ioniq 5 oft gar nicht, welche der vielen Tasten er gerade betätigen muss.

So gibt es an jeder Seite des Lenkrads jeweils zwei Drück-Wipp-Schalter und vier Tasten. Hinzu kommen zwei Schaltwippen zur Rekuperation sowie ein Schalter für den Fahrmodus. Unter dem Infotainment-Display gibt es sieben weitere Knöpfe, Hebel und Taster sowie die berührungsempfindliche Leiste für die Steuerung der Klimaanlage. Links neben dem Lenkrad ist eine weitere Bedienungseinheit mit fünf Funktionen.

Die Vielzahl an Hebeln und Tasten hat jedoch ihren Grund: Hyundai bietet beim Ioniq 5 bis zu 21 Fahrassistenzsysteme an. Alleine die Bedienungsanleitung dieser Systeme umfasst 180 Seiten. Vom „manuellen Geschwindigkeitsbegrenzungsassistenten (MSLA)“ über die „navigationsgestützte intelligente Tempomatsteuerung (NSCC)“ zur „Fahrhilfe auf der Autobahn (HDA)“ – diese Systeme wollen alle aktiviert und gesteuert werden.

Zudem lassen sich über die Lenkrad-Schalter das Infotainmentsystem, die Telefonanbindung, die Freisprecheinrichtung und das Fahrer-Display bedienen. Drei Tasten des Systems lassen sich sogar mit Funktionen frei belegen, die man häufiger direkt benötigt. Das kann recht praktisch sein – wenn man sich die Tastenbelegung richtig gemerkt hat. Hilfreich ist auch die Taste für die Sendersuche über der Mittelkonsole. Mit dieser lässt sich zusätzlich die Navigationskarte ein- und auszoomen.

Gespart hat sich Hyundai hingegen einen Intervallschalter für den Scheibenwischer. Leider funktioniert die Automatik nicht so gut, um bei leichtem Regen die Scheibe zu reinigen. Ein typisches Beispiel dafür, dass automatische Systeme eher nerven, wenn sie nicht zuverlässig funktionieren. Das gilt hier leider auch für die Fahrerassistenzsysteme.

Verkehrszeichen werden oft nicht erkannt

Bei den Funktionen selbst reicht Hyundai noch nicht ganz an die Oberklasse wie Mercedes-Benz oder BMW heran. Das gilt beispielsweise für den Autobahnassistenten in Verbindung mit dem intelligenten Geschwindigkeitsbegrenzungsassistenten (ISLA). Letzterer kann die Geschwindigkeit anhand erfasster Verkehrszeichen und Navigationsdaten selbständig anpassen.

Kräftemessen der Stromer
Der VW ID.4 ist der direkte Wettbewerber des Hyundai Ioniq 5. Die Außenmaße und die Akkukapazität sind in etwa gleich, in der Disziplin hat der Koreaner zumindest nominell die Nase vorn. Dafür hat der VW das intelligentere Navigationssystem.

Doch die Tempolimits werden auf unserer 1.600 km langen Testfahrt häufig nicht richtig erkannt. Vor allem in Baustellen werden 60-km/h-Schilder ignoriert – selbst wenn sie mit dem Hinweis „Radar“ darauf aufmerksam machen, dass eine überhöhte Geschwindigkeit teuer werden dürfte.

Wenn das erkannte Limit nicht mit der tatsächlichen Geschwindigkeit übereinstimmt, wechselt das System in den „manuellen Geschwindigkeitsbegrenzungsassistenten“. Dadurch kann es auch dann nicht mehr die Geschwindigkeit anpassen, wenn das nächste Limit wieder richtig erkannt wird. Daher ist man als Fahrer doch sehr häufig damit beschäftigt, mit dem richtigen Wippschalter die Geschwindigkeit manuell anzupassen.

Freihanderkennung besser als bei Tesla und Opel

An sich funktionieren der Abstandregeltempomat und der Lenkassistent aber recht zuverlässig. Nur bei wenigen Autobahnabschnitten eierte der Ioniq 5 ein wenig in der Spur herum. Im Stau bremst und beschleunigt das Auto selbstständig, hält sich aber mitten in der Spur und bildet anders als etwa im Mercedes nicht automatisch eine Rettungsgasse.

Die sogenannte Freihanderkennung funktioniert nicht so gut wie bei deutschen Oberklasse-Modellen, aber besser als bei Tesla und Opel. So reicht es nicht aus, das Lenkrad mit beiden Händen zu berühren, um die Warnhinweise zu deaktivieren. Selbst die Betätigung einer der vielen Lenkradtasten genügt dem System nicht als Nachweis, dass man die Hände am Lenkrad hat. Im Gegenteil: Solange der Warnhinweis aktiv ist, sind die Tasten deaktiviert.

Allerdings reicht ein sehr geringes, kaum wahrnehmbares Lenkmoment aus, um die Warnung zu deaktivieren. Dieses Moment hat keinen Einfluss auf die Fahrtrichtung des Autos, so dass es nicht zu ungewollten Bewegungen in der Fahrspur kommt. Selbst eine leichte Berührung mit dem Knie kann die Warnhinweise abschalten. Eine kapazitive Erkennung wäre dennoch komfortabler.

Was die speziellen Funktionen für die Elektromobilität betrifft, hinkt Hyundai derzeit der Konkurrenz in einigen Punkten hinterher.

Wo genau, erfahren Sie im zweiten Teil.

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2 Kommentare

  1. Manfred

    Sie werden viel Spaß haben. Ist ein wirklich schönes Auto. Das einzige was nervt ist der Spurhalteassistent. Den kann man am Lenkrad auf der rechten Seite am Lenkrad leicht ausschalten. Auch das Navi nebst Telefon betreibt man einfacher über das Handy; versteht einen wesentlich besser. Reichweite von 300 km/h sind drin; bei Tempo 180 km/h vielleicht 50 km weniger.

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  2. Jürgen Baumann

    Mein IONIQ 5 RWD soll im April 22 kommen. Hoffe es klappt. Dann kann ich gleich mal das Fahrzeug auf der Langstrecke testen. Soll für eine erste Reise von Zürich nach Lissabon gehen. Später dann gerne auch mal ans Nordkapp. Planen der Strecke geht besser am heimischen Rechner, denn leider ist noch keiner so weit wie Tesla. Das muss man neidlos anerkennen.

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