Kennen Sie das Paradoxon von Banach-Tarski? Demnach ist es möglich ist, eine Kugel so zu zerlegen, dass sich später aus den Teilen zwei Kugeln bilden lassen, die jeweils das gleiche Volumen haben wie die ursprüngliche Form.

Das klingt erst einmal nach einem Taschenspieler-Trick, ist inzwischen aber mathematisch bewiesen. Bewegungen allein, so habe ich gelernt, können zwar keine Volumina verändern. Aber zwei Körper können sehr wohl aus einem erwachsen – vorausgesetzt, nicht allen Teilmengen wird ein Volumen zugewiesen.

Coupé, SUV oder Limousine?

Klingt kompliziert, ist es aber nicht , wenn man sich beispielsweise die aktuelle Modellpalette von Volvo und seiner Schwestermarke Polestar ansieht. Der Polestar 2 und der Volvo C 40 sowie der XC40 teilen sich nicht nur die Plattform und den vollelektrischen Antriebsstrang. Sie arbeiten auch mit der gleichen Betriebssoftware und haben auch viele Zulieferer gemein. Wenn man so will, ist es also hier sogar gelungen, eine Kugel zu verdreifachen, ohne das Volumen zu verändern. Oder zumindest nur ein klein wenig: Der XC 40 Recharge ist ein reinrassiger Kompakt-SUV mit Steilheck, der C40 Recharge ein Crossover aus SUV und Coupé mit Fließheck – und der Polestar 2 kommt als fünftürige Limousine daher. Verwechslungsgefahr besteht deshalb keine.

Aus 1 mach 2 
Volvo C40 Recharge und Volvo XC40 Recharge vor der Kulisse der Hamburger Elbphilharmonie. Foto: Volvo
Aus 1 mach 2
Volvo C40 Recharge und Volvo XC40 Recharge vor der Kulisse der Hamburger Elbphilharmonie. Foto: Volvo

Wofür man sich letztlich entscheidet, ist letztlich Geschmackssache – alle drei haben ihre Reize. Selbst dann, wenn man sich für ein Modell mit nur einer Antriebsachse entscheidet – die „Single“-Variante, wie es bei Polestar heißt. Volvo verzichtet auf den Zusatz hier, setzt dafür bei den Allradlern mit zwei Antriebsachsen ein „Twin“ hinzu. Man muss sicherlich keine höhere Mathematik beherrschen, um die Prognose abgeben zu können: Hier wird die Musik spielen, werden im Handel die größten Stückzahlen (Volumina) erzielt. Ganz unabhängig von Stufenplan und Heckgestaltung.

Die Volvo-Schwestermarke hat ihr erstes vollelektrisches Auto vorgestellt. In vielen Aspekten orientiert sich dieses am Bestseller von Tesla. Gelingt das Überholmanöver? Elektroauto

170 kW reichen völlig

Und das mit Fug‘ und Recht, wie wir nach gut 1000 Kilometern mit einem Polestar 2 Long Range Single und immerhin 200 Kilometer mit dem Schwestermodell Volvo XC 40 behaupten. Der C40 wird erst zu einem späteren Zeitpunkt mit Frontantrieb angeboten – er stand uns noch nicht zur Verfügung. 170 kW (231 PS) Antriebsleistung reichen jedenfalls für ein Elektroautos dieser Größenordnung völlig aus. Auf der Autobahn ist man damit bei Reisegeschwindigkeiten um die 140 km/h bestens unterwegs. Und im Stadt- und Überlandverkehr braucht es ohnehin nicht mehr Power – auch so lässt man die meisten Verbrenner beim Ampelstart hinter sich.

Davon träumt jeder Model 3-Besitzer
Mit der großen Ladeklappe übertrumpft der Polestar 2 den Bestseller von Tesla. Zwischen 405 und 1095 Litern fasst der Kofferraum.
Davon träumt jeder Model 3-Besitzer
Mit der großen Ladeklappe übertrumpft der Polestar 2 den Bestseller von Tesla. Zwischen 405 und 1095 Litern fasst der Kofferraum.

Was den Stromverbrauch anbetrifft, hat der Polestar 2 aufgrund seiner Karosserieform allerdings klare Vorteile: Er bietet dem Wind weniger Angriffsfläche. Am Ende der winterlichen Testfahrt (bei Außentemperaturen zwischen 3 und 7 Grad Celsius) stand bei ihm ein durchschnittlicher Stromverbrauch von knapp 21 kWh/100 km im Bordcomputer- zwei kWh weniger als im XC40. Und für eine längere Autobahntour war bei dem keine Zeit.

Volvo schrumpft den Akku

Dass unser Polestar 2 mit einer Akkuladung deutlich weiter kommt als der Volvo, ist allerdings auch der Ausstattung geschildert: Die Limousine wird in der „Long Range“-Ausführung und gegen einen Aufpreis von 3000 Euro auch mit dem 77 kWh großen Akku ausgeliefert – die Volvos gibt es als Fronttriebler nur in Kombination mit einer Batterie, die maximal 69 kWh Strom speichert. Das Einsparen von ein paar Batteriezellen ermöglicht es dem Volvo-Marketing, den Netto-Listenpreise des XC40 (39.823 Euro) und des C40 (39.991 Euro) in der Basisversion unter die für die volle Förderung so wichtige Schwelle von 40.000 Euro zu drücken. Der in China produzierte Polestar 2 hat damit kein Problem: Sein Nettopreis beträgt 38.255 Euro. Und auch mit der großen Batterie kostet er nur 44.930 Euro – über 3.500 Euro weniger als XC 40 und C 40.

Aug' in Aug' mit dem schärfsten Konkurrenten 
Treffen des Polestar 2 mit einem Tesla am Ladepark in Hilden. In punkto Ladeleistung hat der Kalifornier mit 250 kW die Nase vorn.
Aug‘ in Aug‘ mit dem schärfsten Konkurrenten
Treffen des Polestar 2 mit einem Tesla am Ladepark in Hilden. In punkto Ladeleistung hat der Kalifornier mit 250 kW die Nase vorn.

Wobei: Der Polestar ist kaum weniger stylish als der C40. Und der Nutzwert ist dank der riesigen Heckklappe und eines Kofferraumvolumens zwischen 405 und 1095 Litern (bei umgelegter Rücksitzbank) mindestens genauso groß. Für die Ladekabel steht bei allen drei Modellen unter der Fronthaube auch noch ein ordentlicher „Frunk“ zur Verfügung. Und die Verarbeitung des Polestar sowie die Güte der Sitze und der im Innenraum verarbeiteten Materialien sind ebenfalls auf Volvo-Niveau: Dass der Polestar in China, der Volvo hingegen in Belgien montiert wird, merkt man beiden Modellreihen nicht an – hier herrscht ebenfalls Gleichstand.

Ladeplaner muss noch lernen

Wünschen würde man sich hier wie da vielleicht noch ein Head-Up-Display. Und die Positionierung des Ladeanschlusses hinten links ist in Ländern mit Rechtsverkehr alles andere als optimal. Ansonsten gab es allerdings wenig zu meckern. Im Gegenteil: Nette Details wie der nachts im Glasdach aufscheinende Nordstern geben der Limousine einen besonderen Anstrich.

Der Deutsche Thomas Ingenlath ist Design-Vorstand von Volvo und leitet zugleich die elektrische Edelmarke Polestar der Schweden. Im Gespräch verteidigt er die Modellpolitik, gibt Einblick in geplante digitale Dienste und verrät, wo in Deutschland er Polestar-Shops eröffnen will - und ob sich eine Kooperation mit Daimler anbahnt. E-Mobilität

Die Sprachsteuerung (per Google Assistent) funktioniert erstaunlich gut, die Navigation per Google Maps ist deutlich besser, als die Eigenentwicklungen manch anderer Autohersteller und -zulieferer. Wünschen würden wir uns nur eine präzisere Ladeplanung für Langstrecken: Auf der Fahrt gen Hamburg lotste uns das System zu einem „schnellen“ 50 kW-Lader – obwohl Polestar 2 und Co. Ladeleistungen von bis zu 150 kW verkraften.

Ab ins Körbchen 
Für die Ladekabel - und allerlei anderes - gibt es in allen drei Fahrzeugen reichlich Platz im "Frunk" unter der Fronthaube.
Ab ins Körbchen
Für die Ladekabel – und allerlei anderes – gibt es in allen drei Fahrzeugen reichlich Platz im „Frunk“ unter der Fronthaube.

Für leichte Verwirrung sorgten unterwegs auch die unterschiedlichen Reichweiten-Angaben im Bordcomputer und im (parallel laufenden) „Range Assistent“ – Diskrepanzen von über 50 Kilometer steigern nicht unbedingt den Seelenfrieden. Zumal der WLTP-Wert von angeblich bis zu 540 Kilometern zu keinem Zeitpunkt auf der Uhr erschien. Selbst bei vollem Akku nicht. Und Polestar empfiehlt, den Akku zu schonen und nur 90 Prozent der vollen Ladekapazität auszunutzen – das läuft dann im Alltag eher auf 400 Kilometer hinaus.

Erstaunlich reif für Erstlingswerke

Unser Fazit: XC40 Recharge, C40 Recharge und Polestar 2 sind die ersten vollelektrischen Autos des schwedischen Traditionskonzerns, der inzwischen zur chinesischen Geely-Gruppe gehört und mit Polestar einen Ableger gebildet hat, der in die Selbständigkeit strebt. Alle drei Fahrzeuge nutzen dafür eine Plattform, die hauptsächlich für Verbrenner entwickelt worden war – was unter anderem die unvorteilhafte Platzierung der Ladebuchse hinten links erklärt.

Aber für Erstlingswerke sind die Stromer schon erstaunlich reif und alltagstauglich. Für welche Karosserievariante man sich entscheidet, ist letztlich Geschmackssache. Denn das Volumen ist trotz unterschiedlicher Oberflächen gleich. Die Rechnung geht also auf – was ja auch zu beweisen war.

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