Frank Mühlon kennt sich wie wohl kaum ein anderer in Europa mit Ladetechnologien für Elektrofahrzeuge aus: Als CEO von ABB e-Mobility ließ der 54-jährige Ingenieur und Wirtschaftswissenschaftler zwischen 2014 und 2022 hochleistungsfähige Stromtankstellen und intelligente Ladelöstungen entwickeln. Wir trafen uns mit dem Experten, der inzwischen als CEO- und Board Adviser in der Clean Tech-Branche arbeitet, zu einem „Ladetalk“ an der Ladestation von Fastned in seiner Heimatstadt Aschaffenburg.

Herr Mühlon, Sie fahren einen Audi e-tron, wie ich sehe. Wie lange haben Sie den Wagen schon?

Seit eineinhalb Jahren.

Warum haben Sie sich für das Modell entschieden?

Weil es über einen elektrischen Antrieb verfügt (lacht). Außerdem brauchte ich ein Auto in der Größenordnung – wir sind in der Familie zu viert. Und mir war auch ein großer Kofferraum sowie eine Anhängerkupplung wichtig. Denn ich fahre viel mit dem Fahrrad und pendele viel zwischen der Schweiz und Deutschland – das Thema Fahrkomfort war mir da wichtig.

Wie viele Kilometer legen Sie so im Jahr mit dem Elektroauto zurück?

So zwischen 20.000 und 30.000 Kilometern.

Dafür sollte der Audi e-tron eigentlich perfekt sein.

Das ist er – bedingt. Wie ich feststellen musste, ist die Effizienz des Antriebs nicht so toll: Er braucht viel zu viel Strom. In der Schweiz weniger…

…wegen des Tempolimits dort, vermute ich.

Ja, das ist klar (lacht). Da komme ich mit 22 Kilowattstunden auf 100 Kilometern klar. In Deutschland wäre ich mit einem Schnitt von 22 kWh ein Verkehrshindernis auf der Autobahn.

Also fahren Sie etwas flotter?

Ich versuche, nicht über die 140 km/h zu gehen, weil es sonst völlig ineffizient wird. Dann komme ich auf einen Durchschnittsverbrauch um die 27, 28 Kilowattstunden pro 100 Kilometer.

Das hat den Vorteil, dass Sie so alle 300 Kilometer an eine Ladestation kommen, die Sie inspizieren können.

„Der Strom in der Schweiz ist günstiger als in Deutschland und wegen eines hohen Anteils von Wasser- und Atomkraft auch grüner.“

Mühlon über die Entwicklung der Ladestrompreise

Oder früher: Im Winter sind die Reichweiten deutlich kürzer.

Wo laden Sie den Akku hauptsächlich?

Ich habe verschiedene Präferenzpunkte. Als wir noch in Deutschland lebten, lud ich den Wagen hauptsächlich zuhause an einer Wallbox in der Garage. In der Schweiz wohnen wir jetzt zur Miete und ich kriege an das Haus keine Ladestation ran.

Warum nicht?

Weil der Netzanschluss zu schwach und die Eigentümergemeinschaft sich nicht zur Montage eines Ladepunkts durchringen kann. Als Mieter bin ich da machtlos. Immerhin habe ich in der Nachbarschaft eine AC-Ladestation des Schweizer Providers eCarUp. Das ist recht komfortabel und auch preiswert. Und ein kleiner Spaziergang von fünf Minuten am Abend schadet ja auch niemandem.

Und welchen Ladedienst bevorzugen Sie unterwegs?

Ich fahre sehr gerne die Ionity-Stationen an. Ich kriege dort mit meinem Audi-Tarif den Strom vergleichsweise günstig für 34 Cent pro Kilowattstunde.

Das ist ja wirklich sehr günstig. Was kostet der Ladestrom in der Schweiz?

32 Rappen. Der Strom in der Schweiz ist günstiger als in Deutschland und wegen eines hohen Anteils von Wasser- und Atomkraft auch grüner.

Die Ladekarte von Audi ist die Einzige, die Sie nutzen?

Nein, ich habe augenblicklich drei bei mir. Neben der Audi-Karte die mobility+-Karte von EnBW sowie noch eine Karte von SwissCharge. Ansonsten arbeite ich viel mit Smartphone-Apps.

Wann hat Sie die Elektromobilität eigentlich gepackt? Beruflich vorgezeichnet war der Weg ja nicht unbedingt.

Nein, keineswegs. Ich habe bei Bosch zunächst ganz klassische Themen wie Motorkühlung gemacht. Das war 2008. Aber schon damals haben wir im Team erkannt, dass auch Nebenaggregate eine Kühlung benötigen. Eines der Nebenaggregate, das zunehmend wichtiger wurde, waren die Batterien von Fahrzeugen mit Hybridantrieb. Wir haben dafür dann Zusatzwasserpumpen für die Batteriekühlung entwickelt. Später wurde die Elektromobilität von Zweirädern ein Thema – da war ich schon im Bosch-Geschäftsfeld Elektroantriebe gelandet. Es ging zunächst um elektrische Lenkungen. Und den Motor dafür haben wir dann wenig später zu einem Antrieb für Pedelecs umgebaut.

„Die Verfügbarkeitsangst hat die Reichweitenangst längst ersetzt.“

Mühlon über aktuelle Herausforderungen

Was dann zur Gründung von Bosch eBike Systems führte?

Genau. Wir haben später in einem Joint Venture in China auch elektrische Traktionsantriebe für e-Scooter entwickelt. So ging das Ganze bei mir los.

Ein Elektroauto fuhren Sie damals aber noch nicht?

Nein. Das erste kam 2016 ins Haus.

Aus Überzeugung?

Aus Überzeugung, damals schon. Es war ein BMW i3.

Dessen Reichweite noch bescheiden war. Der Akku des kleinen BMW hatte damals gerade mal eine Kapazität von 33 Kilowattstunden.

Ich habe das immer als Challenge gesehen. Reichweitenangst hatte ich aufgrund einer guten Tourenplanung nie. Auch wenn ich manchmal nur noch zehn Kilometer Restreichweite hatte. Aber ich hatte immer das Vertrauen, dass das langen würde. Meine Frau hat mehr Angst, liegenzubleiben. Sie braucht immer einen Sicherheitspuffer von so 100 Kilometern. (Lacht). Reichweite ist aber heute weniger ein Thema als die Verfügbarkeit von Ladesäulen.

In der Tat. Heute ist die Ladeinfrastruktur deutlich besser als 2016.

So muss es auch sein, wenn man eine Energy Transition, eine Energiewende, hinbekommen möchte. Elektromobilität ist dafür ein wichtiger enabler.

Zu deutsch: Ein Möglichmacher.

Ja, neben der Solarenergie, der Windenergie, auch dem Energiemanagement – es gibt da viele Ansatzpunkte. Und die Ladeinfrastruktur für Elektroautos gehört unbedingt auch dazu. Bei ABB haben wir uns deshalb schon sehr früh mit dem Thema Hochleistungsladen jenseits von 50 Kilowatt beschäftigt.

Da hat sich in der Zwischenzeit viel getan. Hier an der Station kann der Strom mit bis zu 350 kW in den Akku fließen.

Wenn man sich die Evolution der Ladeinfrastruktur anschaut, ist es eine Frage der technologischen Entwicklung. Die Energieumwandlung ist beim schnellen Gleichstromladen nicht so sehr limitiert. Die Frage ist hier eher: Wie kriege ich so große Energiemengen übertragen?

Über die Kabel, würde ich sagen.

Richtig, über die Kabel und Steckverbindungen. Und es braucht Lösungen, damit die Batterie beim schnellen Aufnehmen so großer Energiemengen nicht beschädigt wird. Es geht um die sogenannten C-Rates der Batterie.

Das C-Rating, so habe ich mal gelernt, gibt an, wie viele Stunden eine Batterie mit einer bestimmten Kapazität hält und wie stark eine Zelle beim Laden maximal belastet werden darf.

Um exact zu sein: die C-Rate beschreibt das Verhältnis von maximaler Ladeleistung in Bezug auf die Batteriekapazität. Bei 150kW Ladeleistung und einer Batteriekapazität von 100kWh hätten wir eine C-Rate von 1.5. Die Belastung der Zellen beim Laden war lange ein großes Thema. Inzwischen hat sich die Diskussion entspannt: Batteriezellen halten meist mehr aus als anfangs befürchtet. Wobei klar ist: Je häufiger die Zellen am Schnelllader gestresst werden, desto schneller altern sie. Das lässt sich nicht wegdiskutieren. Aber das ist je nach Ausführung der Batterie nicht so signifikant. Auch weil man sukzessive die Kühlung der Batterien verbesserte und die Querschnitte der Kabel vergrößerte.

Fastned, EnBW und auch Ionity stellen inzwischen Schnelllader auf, an deren der Strom mit bis zu 400 kW geladen werden kann.

Mit 400, später vielleicht auch 600 kW oder einem Megawatt. Höhere Ladeleistungen sind nicht so sehr ein Problem als die Frage: Wo kommt die Energie her? Was gibt der Netzanschluss her? Und die andere Herausforderung ist, den Strom mit solchen Leistungen ins Auto zu transportieren, ohne die Batterie zu stark zu beschädigen. Da liegen heute die Limits. Die 350-kW-Lader kamen seinerzeit nur an den Markt, weil man diese Leistung über flüssigkeitsgekühlte Kabel übertragen konnte. Das Kabel sollte nicht heiß werden – und nicht zu dick. In den USA ist das auch ein Grund dafür, dass sich der Tesla-Standard NACS durchsetzt: Das Kabel dafür ist aufgrund einer anderen Anordnung der Pins und einer Ausnutzung der Limits relativ schlank und leicht zu handeln. Deshalb muss eigentlich noch eine Diskussion folgen.

„Höhere Ladeleistungen sind nicht so sehr ein Problem als die Frage: Wo kommt die Energie her?“

Mühlon über Limitierungen beim Ausbau der Ladeinfrastruktur

Worüber?

Über die Frage, ob das System überhaupt ein Standard ist – oder nur eine Tesla-proprietäre Lösung, die anderen Autoherstellern zur Verfügung gestellt wird. Denn daraus ergibt sich dann die Frage: Was passiert bei einer Weiterentwicklung? Muss die von Tesla freigegeben werden? Oder ist das ein Standard, den jeder nutzen und anpassen kann? Das wird noch eine spannende Diskussion werden.

Setzt die Entwicklung in USA den europäischen CCS-Standard unter Druck?

In Europa ist der Zug abgefahren. Hier hat Tesla auch nicht die Macht. In USA hingegen besitzt Tesla den Löwenanteil des Schnellladenetzes. Da ist Tesla weit führend. Ich glaube auch nicht, dass die Entwicklung in den USA auf andere Kontinente herüberschwappt – solange nicht klar ist, ob NACS ein Standard wird.

Wie sehen Sie die Zukunft von CHAdeMo, dem japanischen Standard?

CHAdeMO ist für mich tot. In Japan noch nicht, aber außerhalb des Landes. China hat den GB-Standard, der nicht so sicher ist und geringere Ladeleistungen überträgt, wobei auch hier ordentlich weiterentwickelt wurde und wird. Aber die Diskussion über die Idee, beide Systeme gemeinsam weiterzuentwickeln, ist sehr ruhig geworden.

Hohe Ladeleistungen scheinen inzwischen fast wichtiger zu sein als große Speicherkapazitäten der Akkus. Was geht denn da noch?

Das hängt davon ab, was auf der Fahrzeugseite passiert. Es könnte eine Strategie der Autohersteller sein, die Akkus kleiner zu machen und damit die Autos leichter und günstiger – und im Gegenzug ein schnelleres Laden zu ermöglichen, um die Ladestopps zu verkürzen und darüber auch eine höhere Auslastung des Netzes zu erzielen. Volkswirtschaftlich macht das wahrscheinlich Sinn. Die neuen Ladesäulen mit 400 kW sind allerdings im wesentlich das Ergebnis des sogenannten Deutschland-Tender: Da können zwei Autos gleichzeitig mit jeweils 200 kW laden. Die gibt es nicht, weil jetzt Elektroautos in der Lage wären, mit 400 kW den Strom aufzunehmen.

Mehr als 200 kW wären mit Blick auf die Ladedauer aber schon schön.

Absolut, darum ist ja Ionity beispielsweise konsequent bei 350kW. Die technische Grenze im Gesamtsystem Elektroauto/Ladesäule liegt aktuell bei 800 Volt Spannung. Porsche macht jetzt einen Schub in Richtung 900 Volt, denn die neuen HPC-Stationen sind in der Regel bis knapp 1000 Volt ausgelegt. Und die Kühlsysteme für die Kabel sind auf 500 Ampere Stromstärke ausgelegt. Bei 1000 Volt und 500 Ampere Peak bin ich bei einer maximalen Ladeleistung von 500 kW. Darauf könnte ich das System auslegen. Aber macht das auch Sinn?

Das wissen Sie besser als ich.

In der gesamten Elektroauto-Flotte liegt der Durchschnittswert derzeit zwischen 80 und 100 kW, je nach dem Fahrzeugmix in der Region. Für den Fahrer eines elektrischen Porsche oder Lucid wären höhere Ladeleistungen natürlich schön. Aber ich lege doch nicht das gesamte Ladenetz für die paar Fahrzeuge aus. Es sei denn, man wird wie IONITY von den entsprechenden Autoherstellern getragen und kann so in die Zukunft investieren.

Die maximale Ladeleistung wird ja von den meisten Elektroautos auch nur ganz kurz erreicht. Nur wenige halten die so stabil wie der Audi e-tron.

Das stimmt. Der hat ein hohes Plateau fast bis zum Ladestand von 80 Prozent. Mit einer höheren Effizienz des Antriebs würde ich aber eine leicht flachere Ladekurve vorziehen – wenn ich in kürzerer Zeit mehr Reichweite gewänne. Für die meisten Nutzer ist ja nicht der Verlauf der Ladekurve entscheidend. Das ist nur etwas für Tekkies wie uns. Und wie viel Strom fließt und wie schnell, hängt ja von einer Vielzahl von Faktoren ab, nicht nur von der Ladesäule.

Was hat sich denn die Autoindustrie während Ihrer Zeit bei ABB gewünscht?

Nicht mehr Ladeleistung, nicht noch 20 oder 30 kW mehr. Denen war der Aspekt Zuverlässigkeit wichtiger, die Verfügbarkeit und Startzeit. Ich hatte gestern mit meinem Audi mal wieder ein unterirdisches Ladeerlebnis.

Nämlich?

Es lang an einer ganz banalen Sache. Ich stecke ein – und der Ladevorgang bricht ab, noch ehe der Strom fließt. Und das zwei oder dreimal hintereinander. Ich musste also immer wieder den Stecker lösen und immer wieder einstecken.

Woran lag es?

Es ist immer die Kombination von dem Phoenix-Stecker und dem Interface am Fahrzeug. Wenn da die Toleranz etwas zu groß ist – Audi hat da offensichtlich eine Schwäche – dann werden Fehlerströme detektiert und dann bricht die Säule aus Sicherheitsgründen den Vorgang ab. Ich weiß mir zu helfen, versuche die Verbindung stabil zu halten oder wechsele auf einen anderen Stecker, bei dem die Toleranz nicht so groß ist. Aber das ist natürlich nicht gut, wenn man in einen Massenmarkt will. Das sind Themen, die muss die Branche, die müssen Fahrzeug-, Ladesäulenhersteller und Infrastrukturbetreiber gemeinsam lösen.

Das heißt: Im System stecken noch große Verbesserungspotenziale?

Absolut. Wir sind noch lange nicht am Ende der Evolution. Das System ist hochkomplex. Das sieht man ja schon daran, wie hier die Autos alle parken – jedes Fahrzeug hat den Ladeanschluss an einer anderen Stelle und sie wird ganz unterschiedlich geöffnet. Und: Wie beende ich den Ladevorgang? Hier geschieht das durch Drücken eines Knopfes am Ladeport. Bei anderen muss man erst in das  Fahrzeug einsteigen oder den Schlüssel betätigen. Für das Locking und Unlocking gibt es bis heute keinen Standard. Und auch bei den Ladesäulen gibt es die unterschiedlichsten Techniken.

Was ist das hier für eine? Eine von ABB oder von Alpitronic?

„Im städtischen Umfeld bringt mich ein AC-Lader am weitesten.“

Mühlon über den Wettbewerb zwischen AC- und DC-Ladestationen

Die hier hat Alpitronic gebaut. Das ist ein relativ zuverlässiger Lader, weil hoch standardisiert. Aber hier muss ich erst mal schauen, wo der Ladevorgang aktiviert wird. Ich bin gewohnt, dass ich das Display da finde, wo auch der Stecker positioniert ist. Hier muss ich einmal rumlaufen und dann angeben, welchen Port ich aktivieren möchte. Die Nummer aber befindet sich wieder an anderer Stelle. Das ist nicht schlimm, aber auch nicht komfortabel. Da ist jede Säule anders, je nachdem, ob sie von Alpitronic, ABB oder Tritium gebaut ist.

Hier fehlt auch noch ein Kreditkartenleser – Strom gibt es nur mit Lade-App oder -Karte.

Richtig. An einer Shell-Tankstelle hier in Aschaffenburg steht jetzt eine Terra 360-Ladesäule von ABB. Die hat so etwas. Ich war aber kein großer Fan der Einführung von Kreditkarten-Terminals, weil damit eine weitere Komplexität in das System kommt. Den jeder Operator, der hinter dem Kreditkartensystem steht, hat seine eigene Präferenzen. Und sie müssen für die Autorisierung eine Verbindung zu dem Backend der Bank herstellen. Das ist kein Hexenwerk, aber erzeugt eine weitere Variation. Zumal Kreditkartensysteme auch nicht immer fehlerfrei arbeiten. Sie kriegen damit einen weiteren Störfaktor in den Ladevorgang. Und das Ganze ist völlig überflüssig: Ich könnte hier auch leicht mit der im Smartphone hinterlegten Kreditkarte per QR-Code bezahlen.

In Zukunft soll alles automatisiert ablaufen – per Plug&Charge oder Autocharge. Was favorisieren Sie?

Als User ist es mir egal. Als Operator wäre mir natürlich Autocharge lieber, weil dann die Daten bei mir bleiben. Bei ABB waren wir die ersten, die das System in Europa zusammen mit Fastned, in USA zusammen mit EVGo, eingeführt haben. Wir haben damals mächtig Gegenwind von der Autolobby bekommen, die Plug&Charge favorisiert. Unter anderem, weil das System, was die Datensicherheit anbetrifft, wesentlich höhere Anforderungen stellt. Dafür ist die Technik komplexer. Man muss sehen, was sich durchsetzt. Der Trend geht im Augenblick stark in Richtung Plug&Charge.

Wir haben jetzt lange über Schnelllader gesprochen. Was wird denn aus den mit Wechselstrom betriebenen Langsam-Ladern?

Wir brauchen beides. Wir sind ja noch weit entfernt von den Zielen der Bundesregierung…

..eine Million Ladeplätze bis 2035 zu schaffen.

Das geht rechnerisch schon gar nicht mehr. Aber deshalb brauchen wir jetzt alles, was wir kriegen können. Auch um eine stressfreie Ladesituation für alle zu schaffen. Die Verfügbarkeitsangst hat die Reichweitenangst längst ersetzt: Ich stand schon mehrfach vor einer Ionity-Station, an der alle Ladeplätze belegt waren – und mehrere Autos standen schon in Lauerstellung. Es kann also sein, dass ich länger anstehe, als dass ich lade. Deshalb brauchen wir große Ladeparks an den Autobahnen, in denen 20, 30 Elektroautos gleichzeitig Strom ziehen können.

Und im Stadtverkehr?

Im städtischen Umfeld bringt mich ein AC-Lader am weitesten. Ich kann mit dem das Elektroauto daheim, am Arbeitsplatz und in Parkhäusern laden. Es schont die Batterie und ich kann den Strom hier normalerweise auch etwas günstiger anbieten. Um eine Säule mit einer Ladeleistung von 300 oder 400 kW an einen Standort wie hier zu bringen, erfordert wesentlich mehr Investitionen als zehn AC-Ladesäulen.

Wie hoch schätzen Sie die Kosten dieser Fastned-Station?

Locker über eine Million Euro. Und da ist das Toilettenhäuschen oder das Solardach noch nicht drin.

Lieferwagen oder Lkws können hier aber nicht laden – die sollen künftig ja auch elektrisch fahren.

90 Prozent der Ladestationen sind heute dafür nicht gemacht. Da braucht es andere Konstruktionen und auch ganz andere Ladeleistungen. Vielleicht kommt auch das Kabel von der Decke herunter, weil der Ladeport beim Laster an den unterschiedlichsten Stellen sitzen kann.

In zehn Jahren fahren auch alle Lieferwagen und Laster batterieelektrisch?

Das sehe ich nicht, aber ein sehr hoher Anteil.

„Batterie-Wechselstationen könnten eine interessante Bypass-Lösung für eine Übergangszeit sein.“

Mühlon über das schnelle Laden von Elektro-Lkw

Und induktives Laden?

Gerne für meine Zahnbürste und das Mobiltelefon. Aber beim Elektroauto sehe ich das nicht. Schon aus physikalischen Gründen nicht: Ich brauche zwei Magnetspulen, die aus Kupfer bestehen. Je mehr Leistung ich übertragen möchte, desto mehr Spule und desto mehr Kupfer brauche ich. Damit hole ich sehr viel Gewicht ins Fahrzeug rein – zusätzlich zum Akku. Das ist genau das Gegenteil von dem, was man eigentlich möchte. Es gibt Einsatzgebiete, wo das ganz viel Sinn macht. In der Garage als Komfortlösung. Und im Taxigeschäft kann man in der Warteschlange vor dem Bahnhof nicht permanent ein- und ausstecken. Da ist induktives Laden eine super Lösung. Aber die Kosten sind zu hoch und die Effizienzen zu gering. Zudem bräuchte es auch hier eine Standardisierung. So weit sind wir noch nicht.

Batterie-Wechselstationen…

…sind ein nettes Giummick, das einige chinesische Autohersteller gerade pushen. Bei NIO ist es ein wichtiges Marketing-Feature. Der Aufwand für die Wechselstation ist aber enorm – das bringt man nur schwer in die Fläche und kann es deshalb nur an Brennpunkten offerieren. Im Lkw-Bereich wird auch daran gearbeitet, um das Stromnetz nicht durch das Megawatt-Laden zu stressen: Bei 20 Ladeplätzen mit jeweils 1,5 Megawatt Ladeleistung bin ich schon bei einem Strombedarf von 30 Megawatt. Batterie-Wechselstationen könnten da eine interessante Bypass-Lösung für eine Übergangszeit sein.

Letzte Frage – da der Akku Ihres e-tron längst voll ist: Könnten Sie sich vorstellen, noch einmal zum Verbrenner zurückzukehren?

Auf keinen Fall. Meine Frau fährt noch einen. Aber den werden wir auch noch aussondern.

Artikel teilen

Kommentar absenden

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert